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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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Schürer, Oskar: Die Kunst dem Volke"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0251

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ALBERT WEISGERBER

»ACKERSEKAU IN DER SONNE

„DIE KUNST DEM VOLKE"

VON DR. OSKAR SCHÜRER

Ei, was ist das für eine wackere Parole! Wie
edelmütig klingt sie und wie viel Lob und
Beifall trägt sie dem ein, der sie verkündet!
Und dabei gehört heutzutage gar nicht soviel
Edelmut dazu, zu ihr sich zu bekennen: sie ist
ja Mode geworden. „Die Kunst dem Volke",
wie schön das klingt — und wie schwer das
getan ist!

Wahrhaftig, wir kennen Tragödien derer, die
Kunst dem Volke wirklich bringen wollten.
Kennen solche, die an dieser Aufgabe verzweifelt
sind. „Ein Widersinn ist es, dies: die Kunst
dem Volke" — so sagen die — „Kunst ist Be-
sitz des Einsamen, des Reifen. Sie haßt den
profanen Pöbel! Kunst vulgarisieren, heißt sie
vernichten. Brocken bleiben einem in der Hand,
mit denen man wüsten Handel treibt. Und nicht
nur den Bedachten ist nichts gegeben, — der
Spender selbst ist verarmt, — und haßt sich
ob seines vorwitzigen Beginnens." — Ja, wir
kennen solche, sehr Ehrliche, die zu dieser
Weisheit letztem Schluß getrieben wurden. Die
mit glühendem Herzen vor allem.

Und doch! Treibt nicht aus der Kunst selbst
eine Kraft zu den Vielen, gehört es nicht zu
ihrem Wesen, allgemeinverbindlich zu sein? Und

war es nur Ruhmsucht, was die besten der
Künstler um Anerkennung durch das Volk bis
zum Sterben ringen ließ ? Zuletzt: treibt es nicht
jeden die Kunst ehrlich Liebenden dazu, von
seinem Glück abzugeben, es andern zu vermit-
teln? Vor allen jenen, die eine soziale „Ordnung"
abgeschnitten hat von den höheren Gütern,
besonders von denen der Kunst? Ja, es drängt
immer wieder zu jener Parole, es wird von ihr
nicht still in uns, trotz aller Resignation: immer
wieder versuchen wir, hinzuführen zu den ver-
gessenen und vorenthaltenen Schätzen. Wir
spüren es wie ein Gebot, dem wir zu folgen haben.

Da aber wird es Ernst mit der verführerischen
Parole. Die Anmaßung, mit der von Bildungs-
aposteln Kunstgeschwätz verzapft wird, muß
schwinden. Es geht nicht an, — angesichts der
Verzweiflung der Besten, — in billigem Ent-
husiasmus und unter Vorzeigung einiger hundert
wohlfeiler Lichtbilder Geschichte der Kunst zu
pantschen. Was bleibt dem einfachen Mann, —
und um den soll's doch gehen, — was bleibt
ihm, wenn ihm mit einigen Dutzend fix proje-
zierten Raffaels, Rembrandts und Michelangelos
das Auge verwirrt gemacht, mit rührenden
Geschichtchen von Trinklust der Genies, ihren
 
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