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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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W., A.: Wort und Bild
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0298

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WORT UND BILD. Woher rührt die rasche
Ermüdung bei der Betrachtung von Wer-
ken der bildenden Künste, wo man doch stun-
denlang mit ungeteiltem Vergnügen und ohne
besondere Anstrengung liest? Der Grund liegt
darin, daß die durch das Lesen geweckten Bilder
der Phantasie nur allmählich und sukzessive in
das Bewußtsein treten und daß vor allem nur
schon irgend einmal Geschautes, wenn auch im
Unterbewußtsein Schlummerndes geweckt und
gehoben wird, das sich dann im reibungslosen
Flusse den Absichten des Dichters einschmilzt.
Bei der Betrachtung von Werken der bildenden
Kunst müssen dagegen ganz bestimmte und
intensiv apperzipierte Vorstellungen gewonnen
sein, soll das Kunstwerk ganz erfaßt werden.
Das beschreibende Wort schafft faßt gleichzei-
tig die Vorstellung und zwar jene, deren jeder-
mann fähig ist, die sich aus dem Erinnerungs-
vermögen leicht und hemmungslos ergibt und
die nicht völlig klar und umrissen in das Be-
wußtsein zu treten braucht. Was immer auch
der Dichter schildert, es kommt auf Grund der
widerspruchslosen Relation zwischen Subjekt
und Attribut im allgemeinen seine Vorstellungs-

welt mit der keines anderen in Konflikt und
wenn er sagt: „Ein kleiner brauner Vogel flog
schwer ..", so ist es jedermann klar, was er da-
mit meint. Will aber der Maler dasselbe sagen,
so steht er bereits vor einem Problem. Sein
Fliegen ist dem anderen ein Flattern, Schwirren
oder Stürzen und Farbe wie Gegenstand wird,
als anders angesehen, nicht in der Auffassung
des Schilderers gewertet und damit das Ganze
abgelehnt. Der Maler muß selbst im Unschein-
barsten die vom jeweiligen Betrachter mit-
gebrachten Vorstellungen von Farbe, Intensität,
Größe, Stärke und Statik überwinden. Er muß
daher das Wesentliche geben und es darf
dem Betrachter nicht überlassen bleiben, seine
eigene Vorstellungswelt irgendwie zu wieder-
holen, sondern er muß sich vielmehr in der nur
typisierenden Welt des bildenden Künstlers
zurecht finden. Der Leser erlebt letzten Endes
immer nur sich, der Betrachter dagegen mehr
den anderen. Das Wollen des Dichters ist zu
wenig gegenständlich, seine Sinnbilder zu ab-
strakt. In den bildenden Künsten dagegen sind
die Erscheinungen aber stets lebendig und nur
Gefäße eines besonderen Inhaltes......a. w.

RICHARD-GINORI-DOCCIA. ENTWURF: GIO PONTI
 
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