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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Michel, Wilhelm: Vom Festraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0128

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I

ARCHITEKT
FRITZ GROSS
»KOMMODE«

VOM FESTRAUM

Nicht nur vom monumentalen, nicht nur vom
repräsentativen Festraum soll hier die Rede
sein, sondern von jedem Raum, in dem sich
Menschen für einige Stunden zu einem schwung-
volleren Leben zusammenfinden. Jedes Atelier-
fest, jeder Vereinsball, jede Sonnwendfeier rollt
die typischen Probleme des Festraumes auf.
Das heißt: bei all diesen Gelegenheiten tritt der
Raum in seinen Beziehungen zum Menschen
als ein Faktor von außerordentlicher, ja gerade-
zu ausschlaggebender Bedeutung auf. Das Fest
überhaupt ist ein Höhepunkt menschlichen
Lebens. Die nüchterne Auffassung unserer
Tage zwar verweist das Fest unter die Luxus-
und Ausnahmedinge; und selbstverständlich ist
daran soviel richtig, daß nicht alle Tage Sonn-

tag sein kann. Aber das Fest steht in seiner
eigentlichen Bedeutung nicht neben unserem
wirklichen Leben, sondern an seiner Spitze. Fest
ist nicht ein illusionistisches Treiben außerhalb
der Wirklichkeit, sondern es ist verdichtetes, er-
höhtes Leben. Jedem, selbst dem nüchternsten
Menschen, ist bekannt, daß unser Dasein eigent-
lich ein festliches Dasein sein sollte; das
kommt selbst bei denen noch zum Ausdruck,
die den Begriff einer wirklichen Festlichkeit
verloren haben und sich statt dessen mit dem
Ersatz, dem Rausch, dem Exzeß abfinden.

Aus alledem geht hervor, daß der Festraum
der Raum des eigentlichen Menschenlebens
ist; der Raum, in dem Leben als freies Spiel,
als freudiges, freiwilliges Kunstwerk geschieht.
 
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