Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

DOI Artikel:
Die ethische Grundlage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0122

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
E. OTHON FRIESZ—PARIS

GEMÄLDE »DER RUDERER«

DIE ETHISCHE GRUNDLAGE

Ein nachdenkliches Wort steht in Wilhelm
Steinhausens Aufzeichnungen über die
Kunst. Er sagt: „Über Schön und Häßlich kön-
nen wir uns nur insoweit verständigen, als bei-
des mit Gut und Böse im Zusammenhang ist;
denn nur über diese Fragen urteilen wir sicher".

Zusammenhang zwischen Schön und Gut,
Häßlich und Böse? Sicherlich klingt dies dem
modernen Kunsturteil fremdartig im Ohr. Denn
längst haben wir den Wertbegriff „Schön" er-
setzt durch einen Wertbegriff, der die wirk-
same Kraft zum Maßstab hat. Wo man sonst
„schön" sagte, sagen wir „stark"; ein Begriff,
der offensichtlich das „Schöne" wie das „Häß-
liche", das Gute wie das Böse einschließt. Und
ebenso schließt auch der Gegenbegriff „ schwach"
das Schöne wie das Häßliche, das Gute wie das
Böse ein. Wir lehnen also bei der Bewertung
eines Kunstwerks sowohl den Begriff eines
objektiven ästhetischen Wertes (schön) wie
den eines ethischen Wertes (gut) rundweg ab.
„Leben" ist unser Hauptbegriff; was stark ist,
was packt, was geformt und gemacht ist, das gilt

uns als künstlerisch billigenswert, ohne Rück-
sicht auf die ethische Richtung, in der es wirkt.

In dieser Stellungnahme liegt eine Kurzsich-
tigkeit, ein Mangel gerade an Lebenswissen.
Unzweifelhaft ist es das höchste Ideal der
Kunst zur Gesundung des Menschen, zur
Entwicklung seines positiven, bejahenden,
gläubigen Wesenskerns zu wirken. Sucht sie
das in dürrer, bewußter Absicht zu erreichen,
so verfehlt sie freilich meistens ihren Zweck;
das weiß auch Steinhausen: „Erbauliches be-
absichtigen (in der Kunst), heißt die erbau-
liche Wirkung vereiteln". Ersetzt man in die-
sem Satze das entwertete Wort „erbaulich"
durch ein Wort wie „gesund, religiös, positiv",
so hat man eine Wahrheit in Händen, an der
unser heutiges, ausgedehnteres Lebenswissen
nicht mehr achtlos vorübergehen kann. Auch
die Kunst hat, wie alle menschliche Äußerung,
eine ethische Grundlage j auch durch ihren Be-
reichführt die große Grenzlinie zwischen Gut und
Böse, die den wissenden Menschen, und gerade
ihn, ständig zur Entscheidung auffordert, w. m.

112
 
Annotationen