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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 61.1927-1928

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Einstein, Carl: Giorgio de Chirico
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https://doi.org/10.11588/diglit.9249#0278

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Giorgio de Chirico

Technisch ist diese Zeit durchaus konstruktiv
gestimmt; doch noch will man in schludrigem
Idyll sich ergehen, wann geistige Dinge es be-
tritft. In einigen Künstlern ist es deutlich ge-
worden , daß Ordnung als Sinn und nicht als
peripherischer Zufall gelten soll. Bei Chirico
ist der Hinweis wertvoll, daß die Träume strenge
Gebilde zu sein vermögen. Man mag solche
Träume zerebral schelten. Dann soll man auch
die Weißträume der Alten tadeln. Man hat eben
die Griechen zu einem Volk nüchterner und ka-
priziöser Turnlehrer gemindert, genau wie man
die geistige Anstrengung der alten Italiener unter
einem Fragment von Farbe verbergen will, als
wäre der Fabrikant der Farben der größte Maler.
Doch diese Bilder der Italiener sind viel mehr
und ganz anderes als nur ein Stück guter Ma-
lerei. Hierin ist Chirico durchaus Italiener. Er
verwandelte die reflektiven, sinnreichen Alle-
gorien der Vorfahren zu tektonischem Traum.
Diese Kompositionen wachsen aus durchaus
traumhaften Analogien.

Später flüchtete Chirico aus der Verlassen-
heit seiner Gesichte in einen geschichtlich ge-
bundenen Klassizismus. Er schloß sich den
Trägern einer ängstlichen Restauration an, deren
Bilder von routinierter Perspektive umklammert

werden........ CARL ETNSTEIN — BERLIN.

Der Surrealismus ist die Malerei der jungen
Künstler in Paris, des Deutschen Max
Ernst, des Spaniers Miro, des Franzosen Mas-
son; sie sind seine wesentlichsten Vertreter,
wie Picasso, Braque, Leger, Gris die des Kubis-
mus sind. Der Vater des Surrealismus ist aber
Giorgio de Chirico, ein Italiener, in Grie-
chenland (1888) geboren, aus sizilianischem
Blut, in München erzogen. Ein Erfinder ist die-
ser Greco-Italiener, wie Picasso, der Spanier,
vielleicht, wenn Surrealismus Kubismus wäre.

Chiricos mathematische Figuren entstammen
Träumen, seine Kompositionen einer symbol-
ischen Welt. Schon vor dem Kriege berühmt
in seiner Heimat, wo er mit Carrä als Entdecker
der in Deutschland aufgeblühten neuen Sach-
lichkeit galt. Er arbeitete zurückgezogen wäh-
rend des Krieges, ging dann nach Paris, das er
jetzt mit seinen neuen Kompositionen, die er
aus der klassischen Vergangenheit seines Lan-
des schafft, erobert hat. In Deutschland ist er
fast ganz unbekannt. Die Galerie Flechtheim
wird jetzt zum ersten Male eine umfassende
Ausstellung seiner Werke veranstalten. Das
einzige deutsche Museum, das ein Bild des
Künstlers besitzt, ist das Folkwang- Museum
in Essen, das mit dem Erwerb dieses Bildes die
alte Osthaus'sche Tradition gewahrt hat. c. v.
 
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