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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 62.1928

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Michel, Wilhelm: Bildnisse von Otto Kurt Vogelsang
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https://doi.org/10.11588/diglit.9251#0391

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OTTO KURT
VOGELSANG
»BILDNIS«

BILDNISSE VON OTTO KURT VOGELSANG

Der Aufstieg der modernen Photographie ist
ein interessantes Beispiel für eine „Ver-
menschlichung" der Technik. Wir konnten und
können ein ständiges Vordringen des mensch-
lichen Anteils in der Photographie feststellen.
Und zwar besteht dieser menschliche Anteil in
einer Geltendmachung von Geist und Seele,
in einer Führung der unpersönlich waltenden
Naturkräfte durch die Gesichtspunkte der Er-
kenntnis, des Gefühls, der lebendigen Physio-
gnomik und der Charaktererfassung; nicht zu-
letzt auch der künstlerischen Gestaltung. Wäh-
rend anderwärts (z. B. im Wohnbau) das tech-
nische Element im Vordringen gegen das
Menschliche begriffen ist, schlägt der Mensch
in der Photographie immer mehr durch. Aus
einer reinen Vervielfältigungstechnik hat sie
sich immer entschiedener zur künstlerischen
Leistung entwickelt.

Die Arbeiten von Vogelsang sind dafür ein
neuer Beweis. Sie vollziehen in ihrer letzten
Wendung geradezu den Übergang aus der rein
technischen Prozedur zum Unikat, zum graphi-

schen Kunstwerk. Sie tun dies mit so glänzen-
den, opulenten Mitteln, mit einem solchen Ein-
satz an Arbeit, an handwerklichem Können
und künstlerischem Gefühl, daß sie jeden Ein-
wand glatt erledigen. Die letzten Bildnisse von
Vogelsaiig (wie z. B. das von Pechstein) sind
ohne Weiteres Kunstwerke auf der Grundlage
eines lichtbildnerischen Rohstoffs. Und man
weiß zunächst nicht, was man an ihnen mehr
zu bewundern hat: die Entschiedenheit, mit
der der Künstler hier über den photographischen
Rohstoff hinausgeht, oder die Treue, mit
der er sich eben doch zu ihm bekennt. Wenn
es eine Lichtbildkunst gibt, die „chemisch rein"
ist von allem Spielerischen, unzulässig Witzigen
und Geistreichen, so ist es die von Otto Kurt
Vogelsang. Diese Bildnisse sind durchaus Photo-
graphie, die technische Entstehungsweise mit
Hilfe von wunderbar empfindsamen Natur-
stoffen und Naturkräften wird in keiner Weise
verleugnet. Der Mensch drängt sich in die
technische Prozedur keineswegs auf eitle, un-
schickliche, vorwitzige Art ein; sondern er

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