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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 64.1929

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Bredt, Ernst Wilhelm: Zweckfreie Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9254#0198
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Zweckfreie Kunst

sten, Kirchen und Städte, Brüderschaften und
Zünfte im Auftrag bedient hätten mit Plafonds
und Fresken, Sarkophagen und Urnen, Supra-
porten und Teppichen, mit edlem Kirchen- und
Tafelgerät, wenn ihre Kunst zum allergrößten
Teile so zwecklos gewesen wäre, wie die unse-
rer Künstler, wäre niemals das gewaltige Ge-
samtbild erstanden, das uns jene Zeiten hinter-
lassen haben. Und noch einheitlicher und ge-
waltiger, als wir das noch wissen oder zugeben
wollen, war der Zweck alles künstlerischen
Schaffens im Zeitalter der großen Kirche im
Mittelalter. Da wurde kaum ein Werk umsonst
gedacht, geplant, entworfen, ausgeführt, da
waren Baumeister und Bildner, Maler, Teppich-
weber, Glasmaler, Bronzegießer, Schnitzer und
Töpfer kaum zwecklos tätig. Jeder wußte ge-
nau, wo die Gestalt der Heiligen, wo Tier und
Teufel seiner Hand für alle Zeiten und alle
Menschen Aufstellung finden sollten, er wußte,
welches Licht seinen Werken zuteil würde;
wußte, wem und wo es etwas zu sagen hatte.
Die eine große Auftraggeberin, die Kirche,
gab allen Künstlern, allen Handwerkern Ort

und Zweck, Öffentlichkeit und Schutz und An-
sehen. So wurden tausend Dinge aus tausend
Händen und Werkstätten eine unteilbare große
Einheit, wurde jedes Werk Teil vom Sinn und
Bild und Glück einer gewaltigen Zeit.

Aber wer von unseren Künstlern, die über
alles frei und unabhängig sein möchten, wäre
zu solchem Dienst bereit? Würden sie fähig
sein, sich so engen Aufträgen zu fügen, wie das
allergrößte Künstler jener glücklichen Epochen
gekonnt, — nicht zu ihrem Schaden, vielmehr
zum Ruhm ihres Namens durch Jahrhunderte ?
Nun das käme auf Versuche an.--

Ist jene Zeit den Künstlern günstiger, die sie
zu Aufgaben erzog und herbeizog, dann ist
Zweckkunst höchstes Ziel, ist sie dem An-
sehen des Staates, dem Glück und der Wirt-
schaftlichkeit des Volkes nützlicher, als zweck-
loses freies Kunstschaffen. — Dann ist es aber
auch Pflicht der Staaten und Städte, der Be-
hörden, Genossenschaften und Verbände für
Aufträge mehr zu sorgen als für gelegentliche
Ankäufe, dann ist von allen zu sorgen, daß
zwecklose Kunst Ausnahme bleibt. — e.w.b.



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HILDE WAGNER-ASCHER—WIEN. »STICKEREI AUF EINER TASCHE«
 
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