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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Michel, Wilhelm: Ozean-Express "Bremen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0121

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NORDDEUTSCHER LLOYD

SCHNELLDAMPFER »BREMEN«

OZEAN-EXPRESS „BREMEN"

Vom Bahnhof Bremerhaven ist es noch ein
weiter, bilderreicher Weg zu dem Pier, an
dem die Ozeandampfer des Norddeutschen
Lloyd anlegen (für die Passagiere gibt es natür-
lich durchgehende Züge bis zum Schiff). Erst
das Gewimmel der fleißigen Stadt, dann immer
wieder Kurven und Schleifen um Schleusen
und Hafenanlagen, bis endlich der neuerbaute
Kolumbusbahnhof in Sicht kommt und dahinter
ein Riesenetwas, schwarz und weiß, neben
dem sich der besagte Bahnhof ausnimmt wie
ein Bullenbeißer neben einem Elefanten: die
von ihrer ersten Amerikafahrt zurückgekehrte
„Bremen". Wie geht der Bau aus dem Wasser
hervor! Es ist halsverrenkend, wenn man da-
vor steht. Und wie viel von ihm steckt noch
drunten! Die Größenmaßstäbe, die Abschätz-
ungen (besonders der Landratte) geraten tüchtig
ins Schwanken. Da sagt man z. B. „Schorn-
stein ". Die Bremen hat ihrer zwei. Ein Schorn-
stein ist auf einem Schiff ein kleines technisches
Ding. Hört man aber, daß jede dieser zwei
Röhren eine lichte Weite von 17 zu 8 m hat,
dann kommt man langsam ins Staunen. Und
es dehnen sich von einer solchen Einzelheit aus
die ganzen Größenvorstellungen, die man von
dem Schiff empfängt. Es sind schlechthin er-

schlagende Quantitäten. Die zumeist verwen-
deten Ausdrücke, wie „schwimmendes Hotel",
greifen in den Größenvorstellungen, die sie er-
regen, viel zu kurz. Fünf Gänge nebeneinander
laufen sechsmal oder siebenmal in verschiedenen
Höhen die Schiffslänge hindurch, und der sie
geht, kommt ungefähr an der Bevölkerung einer
kleinen Stadt vorbei, ohne das Haus der Ärzte
und des Apothekers, die Postanstalt, die Buch-
handlung und ein Dutzend große und kleine
Restaurants entbehren zu müssen. Die „Bremen"
beglückt den Spaziergänger gar mit einer Laden-
straße, die sich durchwandert etwa wie die
Lauben in Bozen oder in Freudenstadt; nicht
länger als 15 m zwar, aber dafür funkelnd von
einer Unmenge Kostbarkeiten, wohl geeignet,
Shopping - Gelüste bei den reisenden Damen
zu erwecken. Sieht man von der Höhe der
Kommandobrücke senkrecht auf den Pier her-
unter — sie hat nämlich nach der Seite eine
Art ausspringenden Balkon — dann wimmelt
da unten die Menschheit herum wie Ameisen
vor einem Walfisch. Und dann die endlosen,
breiten Fluchten der Promenadendecks, der
Wintergarten, der die Größe eines sehr respek-
tablen Hausgartens hat, mit Palmen und Hor-
tensien in mächtigen Kübeln und Rohrsesseln

XXXIII Xorrmbrr 1929. 4
 
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