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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Haas, Hermann: Vom Pathos in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0362

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ENTW: PAUL KELLER, KOHNLE UND RIEGER

»LAMPE, SCHALE, DOSE IN IKORA-EDELPATINA«

VOM PATHOS IN DER KUNST

VON DR. HERMANN HAAS—PRAG

Eines der wichtigsten Darstellungsmittel, mit-
tels dessen die Kunst die Außergewöhn-
lichkeit und Einmaligkeit ihres Wesens zu be-
tonen nicht müde wird, ist das Pathos, in dessen
Zeichen die längste Zeit alle ihre bedeutenderen
Äußerungen standen. Es ist, als vermöchte in
dieser Zeit die Kunst nicht anders als mit hoch
erhobener Stimme zu sprechen, als wären die
erhabensten Dinge gerade gut genug für die
künstlerische Darstellung, die ungewöhnlichsten
Mittel ihrem Gegenstande am angemessensten.
Wieviel Wert man gerade diesen äußeren (bis
zur Äußerlichkeit gehenden) Darstellungsmitteln
beimaß, erkennt man am deutlichsten in der
Dichtkunst, wo Wortwahl, Wortstellung, Rhyth-
mus (Vers) und Klangfarbe (Modulation des Vor-
trags) solange für von der Dichtung unzertrenn-
lich galten, daß man die gewöhnliche, unge-
künstelte Sprache für die Dichtung erst neu ent-
decken mußte. Ganz analoge Mittel stehen
auch dem Musiker zur Erzeugung pathetischer
Akzente und getragener Stimmungen zur Ver-

fügung, denen die Besonderheit ihres Sprach-
gutes an und für sich schon entgegenkommt:
denn Tempo, Rhythmus und Klangfarbe sind
auch hier wesentliche Elemente.

Pathos ist nicht bloß Gefühlsbetontheit; lei-
denschaftliche Eindringlichkeit ist vielmehr für
sie ein wesentlicher Zug. Da aber der Vor-
tragende durch sein Pathos nicht nur belehren,
sondern auch mitreißen, bekehren will — wenn
auch dieses mehr aus dem Gefühle als aus dem
Verstände heraus — indem er also den An-
spruch erhebt, daß das Publikum seine Partei
nehme, liebäugelt das Pathos mehr oder minder
deutlich mit einer bestimmten Wertsetzung, die
sich trotz ihres aufgelegt subjektiven Charakters
als objektiv, also allgemein verbindlich gebärdet.

In den bildenden Künsten prägt sich diese
Übersteigerung des Pathos am augenfälligsten
im Streben nach Monumentalität aus.

Ihr primitivstes Mittel ist die Darstellung in
außerordentlichen, das Natürliche übersteigen-
den Dimensionen. Da es aber für die Erzielung

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