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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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Nemitz, Fritz: Zur Soziologie der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0101

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OTHON FRIESZ—PARIS

»LANDSCHAFT BEI TOÜLON«

ZUR SOZIOLOGIE DER KUNST

VON DR. FRITZ NEMITZ

Neue Zeiten verlangen neue Fragestellungen.
Wenn in letzter Zeit oft von einer Krise
der Historie als Wissenschaft und von einer
Krise der Kunstgeschichte gesprochen ist, so
ist das insofern richtig, als die Kunstgeschichte,
soweit sie Materialsammlung, Bestandaufnahme
der Kunstdenkmäler war, so gut wie am Ende ist.
Große Entdeckungen wird es hier kaum noch
geben. Und auch dort, wo das Material nach
höheren Gesichtspunkten untersucht wurde, wie
etwa am fruchtbarsten in Wölfflins „Kunstge-
schichtlichen Grundbegriffen", vermag diese
rein formale Durchdringung des Stoffes nicht
mehr ganz zu befriedigen.

Der allgemeine Kulturumbruch, der nach
außen durch den Krieg sichtbar wurde und
dessen entscheidende Folgen und Umwälzungen
für die gesamte Struktur wir erst heute zu über-
sehen imstande sind, hat auch für die Stellung
der Kunst andere Verhältnisse geschaffen und
für die Betrachtung der Kunst andere Frage-
stellungen gebracht. Zu diesen gehört vor allem
auch die soziologische Fragestellung.

Die Soziologie der Kunst sucht festzustellen,

inwieweit diese von der „Zeit", d. h. von dem
„gesamten Ensemble der gesellschaftlichen Ver-
hältnisse" abhängig ist. Sie sucht die Eigen-
tümlichkeiten eines Stiles oder einer einzelnen
Gestalt, etwa des Genies, auf alle die Prinzipien
zurückzuführen, die gesetzmäßig sind. Die sozio-
logische Fragestellung sucht Gesichtspunkte zu
finden, von denen aus dasBewußtsein der „Zeit"
von sich selbst zum Material der Betrachtung
und diese selbst dadurch „von außen her"
möglich wird. Aus dieser Einstellung ergibt
sich, daß das Problem der Wertung, daß Wert-
fragen in der Soziologie keine Rolle spielen.
Mit Ästhetik hat sie nichts zu tun. Gleichwohl
kann sie deren Ergebnisse verwerten, wie auch
mit den Kategorien der Kunstgeschichte arbei-
ten, wie sie ja ohne die Resultate der Kunst-
wissenschaft nicht möglich ist, wie es auch
eine Soziologie des Krieges nur auf den Grund-
lagen einer Kriegswissenschaft geben kann.

Die Soziologie arbeitet also großenteils mit
Kategorien, die sie fremden Gebieten entnimmt;
sie darf sich aber auf diese nicht beschränken,
weil sie so wieder zu einer Spezialwissenschaft
 
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