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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

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Schürer, Oskar: Landschaften von Willy Eisenschitz
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O.S.: Kunst und Fortschritt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0117

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Landscliaften von Willy Eiscnschitz

und gar nicht. Man liest das Empordrängen
vom Bild ab, nirgends drückt ein Lastendes
herunter. So kommt jene Mischung von Ker-
nigem und Graziösem zustande, die auf den
ersten Blick schon fesselte. Jenes Ineinander
von gesunder Erdkraft und aufklingender Spiri-
tualität, wie sie auf diesen Bildern Zeugnis ab-
legt von einer sehr glücklichen natürlichen Ver-
anlagung. Man glaubt auf diesen Bildern noch

das Sonnenwürzige österreichischer Vorgebirge
zu spüren und zieht doch auch schon das Aroma
südfranzösischer Weinlande ein. Noch glaubt
man, österreichisches Barock hier aufleuchten zu
sehen; durch landschaftliche Moiivik zu reifer
Natürlichkeit gedämpft. Und muß sich dann doch
gleich wieder der lateinischen Klarheit erinnern,
die hier schon eingegangen ist in ein frohes
Sehen. Fürwahr, eine schöne Synthese! db. o. s

KUNST UND FORTSCHRITT

Fortschrittliche Kunst" — so drängt die Pa-
role durch die Jahrhunderte des Kunst-
schaffens. Die Athener spielen ihren Phydias
gegen die Meister von Olympia aus, und die
Römer stellen ihre gewölbten Thermen gegen
Pästum. Abt Suger baut in St. Denis seinen
„modernen" Chor an das (damals noch) roma-
nische Langhaus und ein paar Jahrhunderte
später verurteilt Vasari die barbarische, die
„gotische" Bauweise als verabscheuungswürdig
gegenüber den neuen, den fortschrittlichen Bau-
ten seiner Zeitgenossen. Im Barock überstürzen
sich die Wellen des weiterdrängenden Willens
und zu Ende des 18. Jahrhunderts war es doch
wieder der „Fortschritt", der die „Überladen-
heiten" der eben vorher errichteten Bauten,
Wohnungen und Bilder verdammte. Das 19.
Jahrhundert gelangt dann in immer hastiger
werdendem Änderungswillen zur Prägung des
Begriffs ins Wort: — „Fortschritt" wird Religions-
ersatz, „Fortschritt" als Zivilisationsparole hetzt
die Menschen aus dem ruhigen Dasein heraus
ins Neue, ins Nächste, ins Verfließen.

Wir müssen gerecht sein gegenüber der
Kunst: nicht sie war es, welche dies Sich-
Überstürzen in ein Neues, in ein Anderes hinein
zum Dogma der Zeit erhob. Das Drängen in
immer bewegten Fortschritt hinein erwuchs aus
dem technischen Werk. Zu dessen Wesen ge-
hört es. Technische Leistung besteht nur, in-
dem sie sich überholt. Ein gestriges Modell
ist wertlos im Sinn aktiver Technik. Technik
muß fortschreiten, muß immerbessere Lösungen
herausbringen. Ein Vollkommenheitsideal leuch-
tet in unerreichbaren Fernen, muß unerreich-
bar bleiben, um den Sinn „Technik" zu wah-
ren. Sie bedarf des Wechsels, nicht um der
Abwechslung willen wie die Mode, sondern
eben um der Erfüllung ihres eigensten Wesens
willen. Das „Nie-Zurück!" ist ihr Daseinsgrund.

Ein „Immer - Zurück" aber wartet heimlich
in aller Kunst. Alles Fortschreiten in der
Zeit, im Wechsel der Kunstgesinnungen ist ein
Sich-Besinnen auf reine, vom Zeitwandel un-

berührte Gestalt. „Fortschritt" in der Kunst
ist das Gegenteil von „Forlschritt" in der Tech-
nik. In der Technik lockt ewig das „Vorbild".
In der Kunst darf nur das „Urbild" locken.

Und hier ist der Punkt, wo man der Kunst
der letzten hundert Jahre den Vorwurf nicht
ersparen kann, daß sie den Lebensgrund der
Technik allzu bereitwillig in den eigenen hat
herüberwirken lassen. „Fortschritt" bekam oft
auch in der Kunst jenen drängenden, nur der
praktischen Sphäre erlaubten, ja aufgegebenen
Charakter „Weg-vom-Alten", des „Neuen-um-
jeden-Preis!" Die Kunst geriet in die Hetze
des Tages. Sie verlor ihr Gesetz.

Nicht das gesamte Kunstschaffen teilte dies
Schicksal, wohl aber der die Zeit beeinflussende
Durchschnitt. Es wirkte auf die Beurteilung
der Kunst zurück. Das große Publikum hat
nicht mehr die Gabe, sich ins Werk zu ver-
senken, in ihm den Ausdruck der Dauer zu
suchen, den Gegenpol zum hastenden Tag.

Das aber ist heute mehr denn je Aufgabe der
Kunst: Gegenwelt zu sein jener Hast und Be-
gehrlichkeit des Alltags, der sich daran gewöhnt
hat, eine jede Erscheinung nur mehr als ein
Vorübergehendes zu beurteilen, als einen Über-
gang zu Vollkommeneren — das nie erreicht
werden darf. Jene Hetze, die uns um den Sinn
des Augenblicks bringt, die uns jede neue Sache,
jedes neue Ding schon mit der Überzeugung
quittieren läßt: „Morgen wird eine Verbesse-
rung auftauchen". Ja, gegenüber der Wert-
steigerung, die alle Technik unserm Leben in
vielen Beziehungen bringt, dürfen wir nie die
erschreckende Abwertung allem Einzelding
gegenüber übersehen, die notwendig im Gefolge
der Fortschrittshetze sich einschleicht.

In diesem gefährlichen Augenblick muß die
Kunst eintreten. Sie darf nicht miteinstimmen
in den Ruf „ Weiter!" Sie muß ihm die Mahnung
„Reiner!" entgegenhalten. Sie muß dem Augen-
blick wieder Dauer verleihen und den schönen
Glauben an ein Sein, dem kein „Werden"
seinen Sinn rauben kann..........dr. o. s.
 
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