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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 68.1931

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Sandoz, Auguste: Neue Gemälde von Jean Souverbie
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Michel, Wilhelm: Kunst in Not
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https://doi.org/10.11588/diglit.9248#0022

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Neue Gemälde von Jean Souverbte

Ein andres Bild ist wie die Beschwörung eines wechselnde Bilder aus den Seelentiefen des
olympischen Paradieses, durch moderne Augen Künstlers, abstrakte und doch lebendige Dinge,
gesehen. Am Horizont verfolgen sichzweiPferde. endlos fern und doch so auf geistige Weise
Ihre hellen Körper beleben ein schmales grünes menschlich. Ich möchte zu dieser Bilderwelt
Feld. Zwei Menschengestalten, wunderbar in ein Wort von Jean Cocteau stellen, das mir
der Malerei, sehen dem Liebesspiel der Tiere bei absichtslosem Blättern in dessen „Ruf zur
zu, und das Ganze ist wie eine Romanze zum Ordnung" („Le rappel ä l'ordre"), diesem Mo-
Ruhm der Liebe und Schönheit, deren Zauber nument zeitgenössischer Kunstkritik, in die
unverwelklich durch die Jahrtausende geht. Augen fällt: „Stil kann nicht Ausgangspunkt

Im Hintergrund erscheint ein Pferd. Ein sein. Er ist Ergebnis. Was ist Stil? Für viele

Fenster öffnet sich, und nahe an diesem Fenster Leute eine komplizierte Art, sehr einfache Dinge

atmet ein Blumenstrauß. Ein Weib, vomParthe- zu sagen. Nach unsrer Meinung: eine sehr ein-

nonfries herabgestiegen, ist hingestreckt vor fache Art, komplizierte Dinge zu sagen."

einem Meer, ungeheuer und endlos wie ein Diesem Worte ist Souverbies Kunst ein

Traum. Das Feld verdunkelt sich, das Pferd trefflicher Beleg. Er sagt in der Tat kompli-

wechselt den Platz, anstelle des Straußes er- zierte Dinge auf sehr einfache Weise. Und diese

scheint ein dorisches Kapitell, die Blumen er- Einfachheit in den Ausdrucksmitteln ist es, die

starren zu Marmor und schmücken eine Konsole, sein Werk zu einer Synthese von Kraft und

Der Meeresstrand erscheint, ein Pferd tummelt Zartheit macht. Er mag weilen, wo er will: der

sich, die Wogen des Meeres werden zu ebenso große Traum, sein Führer, wird um ihn sein, er

vielen anmutigen Göttinnen, die sich im Spiel wird leben und lieben. Aus Traum, aus Leben

mit Wasser bespritzen oder das Auftauchen der und Liebe ist das Werk gemacht, das er immer

Schaumgeborenen improvisierend wiederholen, reicher vor uns ausbreitet und in dem das Hel-

Das Sehfeld erhellt sich von neuem, ver- denlied der klassischen Vergangenheit mit dem

dunkelt sich von neuem, zeigt unaufhörlich Heldenlied der Gegenwart zusammenklingt. . .



KUNST IN NOT

Der hessische Staatspräsident Dr. Adelung veranstaltete am 20. Februar zu Darmstadt eine ge-
sellige Zusammenkunft von Parlamentariern, Vertretern aller Behörden, Bildungs- und Kunstinstitute,
des Handels und der Industrie, der literarischen und künstlerischen Welt. Die Zusammenkunft stand
unter dem Stichwort »Kunst in Not«, ein Problem, das, wie Staatspräsident Adelung ausführte, gerade für
Hessen und seine kunstpflegerische Tradition von besonders dringlicher Bedeutung ist. Bei dieser Ge-
legenheit hielt Wilhelm Michel eine Rede, die wir im Folgenden mit geringen Kürzungen wiedergeben.

Für die Kunst und die Kunstpflege besteht geworden als früher. Das Auto, die Reise, die

heute eine Lage, wie sie innerhalb unsrer gepflegte Kleidung, die höhere Lebenshaltung

Erinnerung niemals da war. Man kann diese oder wenigstens der Anstrich davon haben heute

Lage in ihrer Einzigartigkeit mit einem Satze einen erhöhten Kurswert.

kennzeichnen: Die Stellung der Kunst ist heute Ja, bis hoch hinauf in die geistigen Bereiche
zugleich von der wirtschaftlichen und von der lassen sich die Anzeichen dieser „Umwertung"
geistigen Seile her ins Wanken geraten. Dieses verfolgen. Die phänomenologische, die anti-
Zugleich, diese Kuppelung einer Wirtschafts- idealistische Richtung in den Wissenschaften ist
krise, die uns zu Maßnahmen engherziger Ein- dafür ein Beleg unter vielen. Was auf höherer
sparung treibt, mit einer geistigen Problematik, und niederer Ebene vor sich geht, läßt sich
die schon allein ausreichen würde, um schwere auf den Generalnenner bringen: ein erneutes,
Störungen hervorzurufen — dies ist es, was das dringliches Fühlungsuchen mit dem Kon-
Besondere der Lage ausmacht. kreten findet statt. Es ist, glaube ich, über-
Lägen die Dinge so, daß man sich sagen all dieselbe Tendenz, aber sie bringt neben-
würde: Gut, wir sind arm, aber wir wollen einander Gutes und Schlimmes hervor,
mitten in dieser Armut doch noch so viel als Mit der Kunst und ihren Gegnern stand es
möglich für die Kunst tun — so würde dieses früher sehr einfach. Der Kunstgegner war der
„So viel als möglich" hinreichen, um die Kunst Banause, der Philister, der trockene Spießbürger
vor der dringendsten Not zu schützen. Aber —und damit gut. Heute liegen gerade auch von
wie steht es in Wirklichkeit? — Es steht so, geistig ernst zu nehmender Seite grundsätzliche
daß die konkreten, die tastbaren Güter eine un- Bedenken gegen die Kunst vor. Sie richten sich
zweideutige Rangerhöhung erfahren haben. Die gegen den bisherigen Kunstbetrieb (also Aus-
Wertschätzung, die man ihnen entgegenbringt, Stellungen, Kunsterziehung, Künstlerförderung
ist gegenüber der Kunst eine andre, eine höhere alten Stils), sie nehmen aber oft auch die Ge-
 
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