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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 68.1931

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Schülein, J. W.: Der Gegenstand
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https://doi.org/10.11588/diglit.9248#0084

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ferdinand kitt—wien

»strasse im gebirge« 1830

DER GEGENSTAND

Jede Art künstlerischen Schaffens bedeutet
eine Umgestaltung der sinnlichen Wahrneh-
mung, eine mehr oder minder weitgehende Ab-
straktion vom Gegenstande. Diese gehört, ganz
abgesehen davon, daß sie schon in dem Mate-
rial, mit dem der Künstler arbeitet, begründet
ist, zum Wesen, zum Begriffe der Kunst.

Kunstwerke wollen Symbole sein für ein ge-
fühltes Weltgesetz. Wir können dieses im Ob-
jekte suchen, in der Natur außer uns, indem
wir uns liebend in sie versenken, oder wir kön-
nen in unsere eigene Tiefe hinabsteigen, den
einzigen Ort, wo wir unmittelbar mit dem Meta-
physischen in Verbindung stehen und das so
gefundene Gesetz den Objekten aufzuprägen
versuchen; entsprechend den beiden Möglich-
keiten, die Welt zu gewinnen, durch Liebe oder
durch Macht.

Dieser Wandel von Naturnähe und Natur-
ferne, von überwiegender Einfühlung in die
Natur oder überwiegender Abstraktion von ihr
durchzieht die ganze Geschichte der Kunst.

Der Impressionismus begann damit, sich nicht
mehr für den einzelnen Gegenstand zu inter-
essieren, er versenkte sich in die Natur als
Ganzes, nahm Luft und Licht zum Gegenstande.

In der nachimpressionistischen Kunst zeigt
sich immer entschiedener und häufiger eine
Abwendung vom Gegenstande, eine immer ra-
dikalere Umformung des Gegenstandes bis zu
seiner völligen Negation.

Diese Freiheit gegenüber dem Gegenstande
kann aus dem inneren Reichtum des Künstlers
hervorgehen. So die Welt aus dem Inneren auf-
zubauen, ist nur einer starken und reichen Per-
sönlichkeit möglich. Aber diese Gegenstands-
feindschaft kann ihre Ursache auch in der inne-
ren Armut des Künstlers haben, in dem Mangel
an Liebe zu den Dingen, die nicht mehr zu ihm
sprechen; und dann wird sie zu einem leeren
Spiel mit unlebendigen Formen. . j.w. schülein.
*

Der moderne Rationalismus ist eine Denkungs-
art, die sich mit der Auffassung von der
Kunst ganz und gar nicht vereinen läßt. Er ist
allerdings eine Religion für gewisse Leute, die
ihm eine Maschinenhalle als Tempel errichtet
hätten, eine Religion jedoch, die nicht die
Eigenschaften besitzt, die notwendig sind, um
auf die Seele zu wirken, sofern man nicht gar
annimmt, daß die Seele im Namen der Ver-
nunft geächtet ist.............. renoir.
 
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