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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 68.1931

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Ritter, Heinrich: Mensch und Gerät
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https://doi.org/10.11588/diglit.9248#0150

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»wandvasen« entwurf: siegfried möller ausf: steingutfabrik elsterwerda g.m.b.h.

MENSCH UND GERÄT

Es gibt eine wichtige Tatsache, die man nicht
vergessen darf, wenn man über das Klein-
gerät in der Wohnung denken und sprechen
will: das ist die Tatsache, daß der Mensch
sich ständig verändert, ständig Veränderungen
erlebt und daß das Gerät, das ihn umgibt, diese
Veränderungen mitmacht und mitmachen muß.

Wir leben, was die Beziehungen des Men-
schen zu der ihn umgebenden Dingwelt anlangt,
in einem gewissen Konflikt. Unser Denken, un-
ser Gestalten sucht immer auf eine Art Dauer
zu kommen; auf dauernde Prinzipien, auf For-
men von bleibendem Wert. Das ist ein Streben,
das aus dem Geist stammt und das wir daher
niemals völlig verleugnen dürfen.

Geist ist immer geschichtslos, d. h. er setzt
sich immer als geschichtslos; er lebt und schafft
daher auch nach zeitenthobenen Gesichts-
punkten, mögen dies nun Gesichtspunkte der
absoluten Schönheit oder der absoluten Brauch-
barkeit und Zweckmäßigkeit sein.

Aber zugleich steht dieser selbe Menschen-
geist mitten im Strömen unauflöslicher Verän-
derung. Die Wahrheit, die ihm gestern einleuch-
tete, wird ihm heute fragwürdig; was er heute
für „ewig" begründet hält, enthüllt sich morgen
als Laune eines vorüberfliehenden Augenblicks.

Das Lebensgefühl ändert sich, die Grundein-
stellung zu den großen und kleinen Fragen des
Daseins verschiebt sich. Die Form, an der er
gestern seine Freude hatte, tritt heute zu seinem
Fühlen in einen unleidlichen Widerspruch. Man
kann den Menschen geradezu definieren als
dasjenige Wesen, das immerfort einen Stand-
punkt jenseits der Geschichte gewinnen will
und das zugleich immerfort den geschichtlichen
Kräften in extremster Weise ausgesetzt ist. Die
Veränderungen in seiner Dingwelt sind legitim;
was in ihren Formen spielt, experimentiert und
ausgreift, ist identisch mit der lebendigen Un-
ruhe im Menschen selbst. — Es ist wohl nicht
überflüssig, das zum gegenwärtigen Zeitpunkt
wieder zu betonen.

Wir stellen diese Bemerkungen den Abbil-
dungen der schönen, feinen Dinge zuseite, die
aus der Steingutfabrik Elsterwerda stam-
men. Es ist Kleingerät: Dosen, rund und vier-
eckig, Schalen aller Art, Vasen, namentlich
auch Steingutgeschirr für den Tee- und Kaffee-
tisch. Leichte, freie, gelöste Formen , die vom
Gedrungeneren bis zum Flüssig - Eleganten
gehen. Ausgezeichnete keramische Arbeit vom
Scherben bis zu den prachtvollen Glasuren
und höchst aparten Bemalungen...... h. r.
 
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