Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 68.1931

DOI Artikel:
Wenzel, Alfred: Personalkult und Werkschätzung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9248#0197

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
PERSONALKULT UND WERKSCHÄTZUNG

VON DR. ALFRED WENZEL

In unserem Verhältnis zur Kunst, zum Kunst-
werk hat sich in den letzten Jahren viel ge-
wandelt. — Dem nach uns kommenden Histo-
rikerwird es leichter fallen, den Verlauf dieser
Wandlung genauer zu schildern, als uns, die wir
mitten im Strome sind. Über ihr Wesen aber
vermögen wir immerhin schon einiges auszu-
sagen:

Wir können es, einfach und knapp, als Wert-
Festigung bezeichnen. — Ein Einwand wäre
möglich: Jede Zeit sieht auf ihre Weise das
Schätzbare in gewissen Werten verdichtet, an
deren Stelle Menschen einer folgenden Periode
neue Werte setzen. In diesem weiten und all-
gemeinen Sinne ist alles — Wertsetzung und
Wertmessung — „relativ"; dann wäre also mit
„Wert-Festigung" schon zuviel gesagt, schon
eine Überschätzung der eigenen, heutigen Art
des Wert-Sehens ausgesprochen?

Wohl doch nicht. Man kann mit guten Gründen
von einer Festigung sprechen; denn dieser Weg,
auf dem sich unser Gefühl gewandelt und von
der Fühlweise der letzten Vergangenheit ent-
fernt hat, führte zum Kunstwerk, wir sind

auf diesem Wege dem Kunstwerk als solchem
wieder näher gekommen; Objekt-Nähe aber
bedeutet Festigung: wir haben den Wert des
Kunstwerks als Werk-Wert neu stabilisiert,
und dies ist als ein Positivum zu buchen. Denn:
Was war jener Fühlweise, von der wir uns
mehr und mehr entfernt haben, das Wertvollste
am Kunstwerk, das Bedeutsamste? — Sie stellte
eigentlich das Wollen höher als das Können,
sie zog das Ringen mit dem Stoff der Bewäl-
tigung vor, sie liebte eigentlich nur die tragische
Unvollkommenheit, nur von ihr wurde sie im
Innersten angerührt; so merkwürdig es klingen
mag, aber das Werk ohne Zwiespältigkeiten
galt eigentlich als kühl, nur der im Werke sicht-
bareKampf sprach eigentlich für künstlerische
Intensität. Das Wesen dieser Erlebnisform ist
in seinem letzten Grunde Personalkult: man
„erlebte" vor allem den Künstler, der um
das Werk ringt, der mit dem Stoff kämpft, und
man wurde in ganz besonderen Gefühlen erregt,
wo dieser Kampf in einer gewissen Unbewäl-
tigung des Widerstrebenden im Werke noch
den Hauch des Tragischen spüren läßt.
 
Annotationen