Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 68.1931

DOI Artikel:
Heilmaier, Hans: Die Sammlung Paul Guillaume
DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Ein Wort von Beethoven
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9248#0291
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Sammlung Paul Guillaume

schaft wie im „Bildnis Madame Paul Guillaume",
um gleich nachher über einen in steifer Pose
und harten Umrissen gemalten Akt den Kopf
zu schütteln. Modigliani, in dessen Form-
auffassung die einen den Einfluß der Neger-
plastik erkennen wollen, dessen „gefühlte"
Linienkurven die andern ans Quatrocento er-
innern, gibt an Hand von etwa 20 Bildnissen
einen erschöpfenden Eindruck des kometenhaft
aufsteigenden und so jäh erlöschenden Genius
seiner Kunst. Über der Tragik seines Lebens
wuchert die Legende. Aber blieb er durch sein

frühes Hinscheiden nicht vor der größern Tragik
naheliegender Manieriertheit bewahrt?

Mit den Picassos der Sammlung Paul
Guillaume hat diese zweifellos ihren Gipfel-
punkt erreicht. Beginnend mit den sensitiven
Figuren der „blauen Epoche", fortschreitend mit
den aufbrechenden Formen der kubistischen
Zeit, später dann in freier Synthese schwere
Frauenleiber bauend, scheint er in seinem Werk
die Gestaltungsweise der Primitiven, die pla-
stische Bildsprache und deren freie Anwen-
dung wieder zurückerobert haben..... h. h.

EIN WORT VON BEETHOVEN

Ich lese ein Wort von Beethoven, gerade eine
Zeile lang — und finde mich in einen Wirbel
von Freude gerissen: „Künstler weinen
nicht, Künstler sind feurig". Kann man
herrlicher sagen, was zur Kunst zu sagen ist?
Denn in diesem Wort ist alles gegenwärtig, was
die Gewalt der Kunst und das „ganz Andere"
ihres Wesens ausmacht: ihr Heldentum, ihr
Ernst, ihre Härte, ihre Begeisterung, ihr sieg-
reicher Glaube — und vor allem der feurige
Geist des Lebens, der treibt und quillt und keine
Ermattung kennt.

„Künstler weinen nicht" — das heißt: Künst-
ler liegen nicht träge auf Gefühlen fest, sondern
gehen über sie hinaus zum Leben und zur Tat.
Die Gefühle brechen mächtig in die Kunst ein,
aber der Künstler verwandelt sie nicht in Ge-
nußobjekte, die er schlürft und abschmeckt, vor
denen er empfindsam verweilt — sondern er
läßt sich von ihrer Schwungkraft weitertragen
und höher heben, er verwandelt sie in Elemente
des inneren Aufbaus und in Taten der Form.
Die weichlichen und zweideutigen Dinge, die
man je und je über das „Gefühl" in der Kunst
gesagt hat, müssen überprüft werden vor dem
einen maßgebenden Satze: der Künstler ist
nicht sentimental. Er darf nicht sentimental
sein. Denn Sentimentalität bedeutet Gefühls-
genuß. Sentimentalität bedeutet: sich vor
einem Gefühl spalten in einen Fühlenden und
einenZuschauer dieses Fühlens. Statt zur Tat,
zur Form, zur wirkenden Begeisterung weiter-
zuführen, sterben die Gefühle in der Seele des
Sentimentalen den Sumpftod. Ja, der Senti-
mentale, der seit je so viel von der Heiligkeit
der Gefühle geredet hat, ist der wahre Ge-
fühlsmörder und in dieser Richtung ein viel
ärgerer Schädling, als es die eigentlich „harten'
Menschen je gewesen sind. „Künstler weinen
nicht" bedeutet: Künstler verschwelgen sich
nicht im Laster der subjektiven Empfindelei,

sondern sie bereiten aus ihren Gefühlen Welt,
Leben und Gestalt.

„Künstler sind feurig"! Die Begeisterung
brennt in ihnen, die ewig weitergeht: über Not
und Tod in den Glauben, über jeden Schmerz
in die Fülle der Freude. Das ist ein Feuer, das
durch jedes Scheit Leiden, welches das Leben
hineinwirft, nur gewaltiger aufbrennt. Was uns
andere Sterbliche niederdrückt, hat für den
Künstler eine „ent-zückende", d.h. eine ent-
rückende, erhöhende Kraft. Sie führt ihn mäch-
tigen Schwunges über die Zone der Tränen auf
jene Gipfel, wo das ganze Leben erblickt wird,
die ewige, herrliche Gewalt, die im Ganzen wirkt.
Das ist die Zone, in der der Geist ewig zur Tat
stürmt, kriegerisch unter Waffen und Fahnen,
wo er die Welt weitertreibt, wo er lauter Kraft
ist und mit allen toten Lasten spielend fertig
wird. Das Feuer ist ein verzehrendes Element.
Das Feuer, das im Künstler brennt, verzehrt
ewig das Buchstäbliche des Leidens und macht
daraus das Fest der siegenden, der leuchtenden
und wärmenden Flamme. „Künstler sind feurig"
heißt: es lebt in den Künstlern die ungeheure
Stärke, die mitten aus dem Tod noch Leben
herausholt, weil sie selbst nichts anderes ist als
endloses, glühendes, allverbundenes Leben,
unbesiegbare Tapferkeit, ewige Aufraffung,
rüstiges Hoffen. Wenigstens ist dies die Art
aller großen und aller positiven Kunst. Nur in
den Begabungen minderen Ranges herrscht die
Passivität, das was bei Nietzsche der „Geist der
Schwere" heißt. Die ganze Welt der Empfin-
dungen ist in Beethoven, in Shakespeare, in
Goethe, Rembrandt, Grünewald ausgebreitet.
Aber immer ist ein geistiger Sieg aus ihnen ge-
macht. Die Gefühle bleiben nicht als private
Regungen stehen, sie werden aufgenommen ins
ganze Leben und werden Wachstum, Blut und
Saft, Blüte und Frucht, sie werden dichtes,
wirkliches, brennendes Dasein....... w.m.
 
Annotationen