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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 68.1931

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Pfister, Kurt: Die Glaspalast-Künstlerhilfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.9248#0328

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DIE GLASPALAST-KÜNSTLERHILFE

An viertausend künstlerische Dokumente des
X~\ 19. Jahrhunderts und der Gegenwart sind
durch den Brand des Glaspalastes
zerstört worden. Diese Katastrophe bedeutet,
von dem ungewöhnlich hohen materiellen Scha-
den, von zerstörten Hoffnungen und Lebens-
möglichkeiten der Künstler abgesehen, einen
ideellen Verlust von großer Tragweite. Es gab
im Lauf der Jahrzehnte wohl keinen namhaften
Künstler, der hier nicht des öfteren mit einzel-
nen Werken und ganzen Kollektionen vertreten
war. Große Retrospektiven erweiterten den
geistigen und visuellen Gesichtskreis des Publi-
kums und der Schaffenden und brachten die
Kunst der Zeitgenossen in lebendigen Kontakt
mit der Produktion der Jahrhunderte. Die Aus-
stellungen vor dem Krieg — wir erinnern nur
an die denkwürdigen Kollektionen Courbets
und Leibis in den 60 er und 70 er Jahren —
waren großartige Sammelpunkte des Internatio-
nalen Kunstlebens; und gerade auch die Dar-
bietungen nach dem Krieg hatten — neben der
selbstverständlichen Darstellung des einheimi-
schen Kunstgutes — wieder zahlreiche und
fruchtbare Anknüpfungen mit dem internatio-
nalen Kunstschaffen gebracht. Man darf sich nur
die großen französischen, englischen, schwei-
zerischen, holländischen und italienischen Kol-
lektionen der letzten Jahre, die Darstellung des
Lebenswerkes von van Gogh und Münch
ins Gedächtnis zurückrufen.

Durch die Brandkatastrophe ist die Ehren-
schau für den Schweizer Cuno Amiet, die
fünfzig ausgewählte Werke des Meisters um-
faßte, sind weitreichende Kollektionen von
Samberger, Herterich, P. P. Müller, S. L. Wen-
ban, Otto Strützel, Erich Kubierschky, Chirico
und Casorati vernichtet worden. Die Ausstell-
ung der Stuttgarter Sezession, die Schau der
jungen Münchner Künstlergeneration (mit etwa
250 Bildwerken) fiel den Flammen zum Opfer.
Wichtige Werke der zeitgenössischen Malerei
und Plastik von Rodin, Maillol, Despiau, Picasso,
Vlaminck, Derain, Utrillo, Rouault, Faistauer,
Kokoschka, Zügel, Liebermann, Hanak, Lederer
sind zerstört worden und mit ihnen zahllose
wertvolle Arbeiten bekannter und weniger be-
kannter Maler, Plastiker und Kunstgewerbler.
Einen unersetzlichen Verlust bedeutet die Re-
trospektive deutscher romantischer
Malerei von J. A. Koch bis zu Schwind und
Richter, deren 110 erlesene Gemälde aus mu-
sealem und privatem Besitz restlos durch den
Brand des Glaspalastes vernichtet worden sind.

Es versteht sich von selbst, daß die außer-
ordentliche Katastrophe großzügige Hilfelei-
stung in mehrfacher Richtung erheischt. Es ist
zunächst von der Münchner Öffentlichkeit sowie
von den staatlichen und städtischen Behörden
eine Notstandsaktion eingeleitet worden,
die den durch den Brand geschädigten Künst-
lern wenigstens eine teilweise Entschädigung
für ihre Verluste zukommen lassen will. Mit
Recht betonte Professor Hoene, der Vorsitzende
des Reichsverbandes der bildenden Künstler,
daß ein lebenswichtiger Teil des Volkes einem
blind waltenden Ereignis preisgegeben werde
und so erst ein wirkliches nationales Unglück
sich ereigne, wenn nicht im ganzen deutschen
Volk ein helfendes Verständnis dafür vorhanden
sei, daß hier ein Personenkreis getroffen wurde,
der die Lebensgüter grundsätzlich abseits der
rechnerischen Erfaßbarkeit werte.

Die zweite Hilfsaktion besteht in der durch
Staat und Stadt aktiv geförderten Durchführung
einer neuen Ausstellung, die bereits am
15. Juli in den ausgezeichnet geeigneten Ober-
geschoßräumen des Studienbaues des Deutschen
Museums eröffnet werden soll. Mit Recht hat
man auf die Feststellung Wert gelegt, daß diese
neue Schau keine Ersatzausstellung mit dem
odiosen Beigeschmack dieses Wortes werden
soll, sondern eine Ausstellung, die die Vitalität
des deutschen Kunstschaffens ungeschwächt er-
weisen werde. „Wenn es gelingt", führte Kul-
tusminister Goldenberger in einer vor
wenigen Tagen im Münchner Alten Rathaussaal
stattgehabten großen Kundgebung aus, „in einer
so kurzen Spanne Zeit als Ersatz der im Durch-
schnitt wirklich hochwertigen und daher auch
materiellen Erfolg versprechenden ersten Aus-
stellung eine neue Qualitätsausstellung zustande-
zubringen, so wird dies ein glänzendes Zeugnis
sein sowohl für das Maß ungebrochener künst-
lerischer Kraft und Produktivität, die München
als Kunststadt sich gewahrt hat, wie auch für
den aufrechten, entschlossenen Willen unserer
Künstlerschaft, sich durch das große Brandun-
glück vom 6. Juni nicht unterkriegen zulassen".

Der dritte und wesentlichste Teil der Künst-
lerhilfe hat den unmittelbar in Angriff zu neh-
menden Neubau eines Kunstausstellungs-
gebäudes als Inhalt. In München, wo heute
noch 4000 bis 5000 Maler, Bildhauer, Architek-
ten und Kunstgewerbler wohnen und arbeiten,
wohl ebensoviele wie im ganzen übrigen Reich
zusammen, muß ein großes Kunsthaus vorhan-
den sein, das diesen tausenden von Künstlern,
 
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