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Dohme, Robert
Die Kirchen des Cistercienser-Ordens in Deutschland während des Mittelalters: mit Holzschnitten — Leipzig, 1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.33499#0054
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Dom vonWürzburg noch rein romanisch ist.*) In Heisterbach sehen
wir den ersten entschiedenen Versuch den französischen Kathedral-
grundriss in Deutschland einzuführen. Ordensbauten brachten die
Gothik zum ersten Male zu Marienstadt auf das rechte Rheinufer **),
in der Nonnenkirche von Neuendorf nach der Mark Brandenburg.
Interessant ist es hierbei, dass in den meisten dieser Schöpfungsbauten
— denn solche sind es in der That — der Styl sich jedesmal gleich
in verschiedener Weise constituirt, wie es die Eigenthümlichkeit der
Provinz mit sich bringt. Wir haben es hier eben mit einer in jeder
Gegend neu vorgenommenen geistvollen Operation zutlmn, der Ver-
schmelzung der fremden, neuen, entwickelteren Kunst mit der ein-
heimischen Tradition. Das Gemeinsame bei all dieser Verschieden-
heit bleibt dann stets die gleiche Quelle, die Kunststufe, die Idee der
Plandisposition und, wenn der Ausdruck erlaubt ist, der Grundton
des Aufbaues und Details. Auf die letzten beiden Punkte haben
wir zunächst näher einzugehen.
Wir sahen, dass die Cistercienser im Gegensatz zu den allge-
mein verbreiteten Holzdecken den praktischen Werth der Wölbung
früh erkannten und sie bei ihren Bauten anwandten. Mochten
immerhin einzelne ältere Ordenskirchen die flachen Decken beibe-
halten, mochten bereits an einzelnen Orten längst Gewölbebauten
existiren, mochte endlich das gebundene romanische System ausser-
halb des Ordens seine Entstehung finden — so trug doch gerade
seine Wirksamkeit ein gut Theil zu der allgemeinen Verbreitung
der gewölbten Decken bei. Die Cistercienser hatten die Vortheile
dieser Bauweise in Frankreich kennen gelernt, wo sie bereits seit
dem Entstehen der romanischen Kunst herrschte, doch hielten sie
sich nicht an die dortigen Vorbilder, nahmen vielmehr das in

*) Mertens: die Baukunst in Deutschland. Tafeln und Text pag. 128.
**) Ob man den Chor des Magdeburger Domes ohne weiteres als „gothi-
schen Bau" ansehen darf — er wäre dann bekanntlich der erste in Deutsch-
land — erscheint zum wenigsten zweifelhaft. Der Aufbau lehrt deutlich, dass
die ausfuhrenden deutschen Meister noch durchaus im Uebergangsstyl befangen
waren; dass sie die Consequenzen, die ihr auf der ganzen Höhe der damaligen
französischen Kunst stehender Grundriss für die Kunstformen hätte haben
sollen, noch keineswegs begriffen hatten.
 
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