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Dorotheum <Wien [Hrsg.]
Nachlaß Friedrich von Amerling: (Stiftung für die Genossenschaft der Bildenden Künstler Wiens) ; Versteigerung von Mittwoch den 3. bis Samstag den 6. Mai 1916 (Katalog Nr. 263) — Wien, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.15892#0019
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Friedrich von Amerling*

(14. April 1803 bis 14. Jänner 1887.)

Amerlings Sammlungen, eigene Arbeiten und Studien, Schätze der Kunst und
des Kunstgewerbes aus allen Ländern und Zeiten, denen die mäßige gerichtliche Schätzung
damals, vor dreißig Jahren, einen Geldwert von 120.000 Gulden zusprach, fielen nach
seinem Tode an die Gefährtin seiner letzten Lebensjahre, seine Witwe, die spätere Gräfin
Marie Hoyos, die dieses Vermächtnis treu bewahrt hat und, als sie zu sterben kam, im
Sinne des großen Künstlers über die Sammlung verfügte; sie hat die Wiener Künstler '
genossenschaft als ihre Erbin eingesetzt, mit der Anordnung, daß aus dem Erlöse dieser
Kunstwerke ein Friedrich und Marie Amerling'Fonds zur Unterstützung bedürftiger Künstler
geschaffen werde.

Das ist die Vorgeschichte der Auktion, welcher der vorliegende Katalog sein Ent'
stehen dankt und die, wie ein Nachhall aus ferner Zeit, uns mit einem Schlage den
großen Altwiener Maler nicht nur als Künstler, sondern auch als Menschen wieder
lebendig macht.

Wenn wir bei einer großen Festlichkeit mitten unter den vielen Menschen in
glänzender Uniform oder im tadellosen ordenbesäten Frack einen schmächtigen alten
Herrn mit kleinem, feingeschnittenem, weißbärtigem Kopf gesehen haben, der im schwarzen
Samtflaus an irgend einer Säule oder am Türpfosten lehnte — das war Amerling.
Er trug sich nun einmal nicht anders, und dem Alten sah man das nach. Auch einen
Zylinderhut hat er vielleicht sein ganzes Leben lang nicht getragen; auf der Straße bedeckte er
mit dem breitkrämpigen, spitzen schwarzen Künstlerhut sein Haupt und wenn er einmal —•
es geschah das selten genug — in der „Stadt" erschien, mußte er jedermann auffallen. In
den letzten Jahren seines Lebens mehr noch als vorher, denn da ging an seinem Arm eine
noch junge, sehr schlanke Dame — das war seine Frau.

Er kam selten in die „Stadt". Daheim fühlte er sich auch zu behaglich und froh.
Es war ein lustiges und merkwürdiges Häuschen, das der greise Maler da draußen in der
Mollardgasse, auf der Höhe des Linienwalles von Gumpendorf, bewohnte. Der heitere
Giebel des Hauses sah hinter einer hohen Mauer hervor, die das mit antiken Säulen'
kapitälen, Vasen und Urnen, Torsos und Büsten geschmückte Vorgärtchen vor jedem Blick
bewahrte. Jahraus, jahrein war die Tür mit dem hübschen Barockgitter oben geschlossen
und lange bimmelte die Türglocke — der Glockenzug hat einst am Tor einer alten Burg
gedient — ehe jemand kam, den Besucher einzulassen. Hatte einer die Schwelle des Hauses
überschritten, dann war er auch schon aus seiner Zeit heraus und um mehr als ein Jahr"
hundert zurückgeraten. Das Häuschen, das inmitten des Gartens stand, ein Stockwerk
hoch, mit schmaler, erkerbewehrter Front, hatte nichts von modernen Zinsburgen; es war
der einstige Sitz der Grundherren von Gumpendorf, der Grafen Mollard, und was

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