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Dresdner, Albert
Die Kunstkritik: ihre Geschichte und Theorie (Band 1): Die Entstehung der Kunstkritik im Zusammenhang der Geschichte des europäischen Kunstlebens — München, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.34607#0153
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Coypel über die Laienkritik

139

Mit Du Bos billigt Coypel der natürlichen Empfindung
ihr Recht zu, mit Du Bos sieht er als das Ziel des
Kunstwerkes an zu gefallen*^); und während in den
Debatten der Akademie zur Zeit Le Bruns die Größe
„Publikum" überhaupt nicht existiert hatte, so er-
kennt es Coypel resolut als den obersten Schiedsrich-
ter in Kunstdingen an. Damit ist also die Legitima-
tion der Laienkritik und ihre Machtstellung auch von
seiten der Künstler, und zwar von ihrem obersten
Vertreter, gleichsam amtlich, bestätigt. Es mochte
ihnen nicht gerade leicht fallen, diese Konsequenz zu
ziehen, aber sie sahen sich durch den Charakter der
modernen Kunst, ihrer eigenen Kunst, dazu gezwun-
gen: transformierte sich doch die französische Ma-
lerei in diesen Jahren der Jugendblüte des Rokokos
eben von einer höfisch-kirchlichen Dekorations- und
Monumentalkunst zu einer Staffeleikunst, deren
Werke auf die Salons und die Kabinette berechnet
waren und die sich daher an ein neues, breiteres Pu-
blikum, an die gebildete Gesellschaft wandte. Wie
durfte man da diesen Kreisen das Verständnis für die
Kunst, das Urteil darüber absprechen, da man doch
vielmehr das Interesse hatte, sie auf alle Weise heran-
zuziehen! Coypel handelte also als einsichtiger Ver-
treter der Standesinteressen, wenn er die neue Sach-
lage frank akzeptierte, und dieselben Standesinter-
essen waren es, die ihn zu seiner entschiedenen Stel-
lungnahme gegen das Kennertum veranlaßten.
Es stellte sich nämlich heraus, daß sich zwischen
die Künstler und die breite Schicht des Publikums,
mit der sie Fühlung suchten, das Kennertum als eine
sehr lästige Zwischeninstanz eingeschoben hatte.
Mit seinen Klagen und Anklagen gegen die Kenner
steht Coypel durchaus nicht allein, sie kehren in der
 
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