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Ness, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 1): Stadt Hannover — Braunschweig, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.44751#0102

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weder die Mitte oder die äußeren Achsen
der normalerweise sechs Achsen umfas-
senden Fassaden durch leichtes Vortreten
der Obergeschosse hervor. Entsprechend die-
ser Einteilung ist die Dachzone entweder
durch ein mittiges Zwerchhaus mit geradem
Abschluß oder durch zwei seitliche, meist
übergiebelte Zwerchhäuser gestaltet, so daß
die Dachwohnungen wenigstens einen ge-
raden Raum haben. Die drei vermutlich jüng-
sten Häuser (um 1904) variieren das vorge-
gebene Gliederungsmuster und bringen statt
der üblichen renaissancistischen bzw. gotisie-
renden Schmuckteile Jugendstil-Elemente im
Dekor.
Diese großstädtischen Mietbauten entstan-
den — wohl als Spekulationsobjekte — für
Arbeiter in unmittelbarer Nachbarschaft der
Industrieansiedlung, ohne daß die Arbeitge-
ber auch Bauherren waren. Anders bei einem
Wohnblock nördlich an der Ihme (Ihme-
straße 6a—6e): Auf dem Gelände des Stra-
ßenbahnbetriebshofes, der sich seit 1896
hier befand, errichtete die Gesellschaft in
den folgenden Jahren sozialgeschichtlich in-
teressante Behausungen für Straßenbahnbe-
amte.

Ihmestraße 6a-6e


Brühlstraße 27, Villa Simon, 1858—60,
Architekt Chr. Tramm


Oeltzenstraße 21, um 1884


Wagenersche Stiftung, Theodor-Krüger-Str. 3
Sozialgeschichtlich ebenfalls interessante
Wohngebäude stehen an der Ecke Königs-
worther-/Theodor-Krüger-Straße: Es handelt
sich um eine 1896/97 von H. Schaedtler ge-
baute dreigeschossige Dreiflügelanlage, deren
Innenhof sich nach Süden zur Königsworther
Straße öffnet, und deren Erschließung durch
ein repräsentatives Portal an der Theodor-
Krüger-Straße erfolgt. Die Wohnungen er-
reicht man über zum Hof liegende leicht aus
den Fassaden vorspringende „Treppentür-
me", die zusammen mit risalitartigen, über-
giebelten Abschnitten die langgestreckten
Baukörper gliedern. Während die Seitenfas-
saden gestalterisch vernachlässigt blieben,
strukturieren Gesimse, Lang- und Kurzwerk
an den Gebäudekanten, Einfassungen der
z.T. gepaarten Fenster, Schweifwerk an den
Giebeln und die aufwendige Rahmung
der Türen die Hof- und die Hauptfassade zur
Theodor-Krüger-Straße. Im Dekor, der einem
der kunstwissenschaftlichen bzw. kunsthand-
werklichen Vorlagebüchern des späten 19.
Jh. entstammen könnte, zitiert der Baumei-
ster Formen des deutschen Frühbarock.

Theodor-Krüger-Straße 3, 1896/97, Architekt
H. Schaedtler


Theodor-Krüger-Straße 3, Wagenersche Stiftung,
1896/97, Architekt H. Schaedtler


Oeltzenstraße 18 ff.


Bauherr dieser als Altenheim mit ursprüng-
lich 88 Wohnungen errichteten Anlage war
die Stiftung des Bäckermeisters Wagener von
1784 für „Hilfsbedürftige der Neustadt Han-
nover, die über 70 Jahre oder bürgerlichen
Standes über 60 Jahre" waren. Diese Stif-
tung trat 1853 in Kraft.
DIE NÖRDLICHE VORSTADT
KÖNIGSWORTH
Wie die anderen ehemaligen Vororte hat
sich Königsworth, 1829 zur selbständigen
Ortschaft erhoben und 1859 der Stadt Han-
nover eingemeindet, aus einer schon im 18.
Jh. vorhandenen Ansammlung von Garten-
häusern entwickelt. Diese lagen an verschie-
denen alten Wegen, von denen sich einige im
heutigen Straßennetz erhalten haben, z.B.
die Dreyer-, Gerber- und Fischerstraße und
die Andertensche Wiese. Selbstverständlich
ist die frühe Gartenhausbebauung durch
die im 19. Jh. begonnene Aufsiedlung — zu-
nächst vereinzelt mit Villen und Gewerbe-
betrieben, später mit mehrgeschossigen
Wohnbauten — verschwunden; das letzte
Gartenhaus wurde erst jüngst abgerissen.
Dagegen steht an der Brühlstraße 27 eine
Villa, die E. Simon 1858/60 an Stelle eines
kleinen Sommerhauses in seinem Garten von
Chr. Tramm errichten ließ. Dem 2 1/2-ge-
schossigen Bau fehlen heute einige repräsen-
tative Attribute: Ursprünglich faßten die
symmetrisch gegliederte Straßenfassade mit
mittigem Eingang rechts die vorhandene
Veranda und links als Pendant eine Durch-
fahrt ein; am Altan fand sich eine leichte
Verdachung, die ähnlich luftig wie die an
die Veranda angebaute, verlorene Pergola
gewirkt haben mag. Heute ist die Villa redu-
ziert auf einen kubischen Baukörper unter
flachem überstehendem Sattelwalmdach,
dem durch den blockhaften Risalit mit
Belvedere und den Verandaanbau eine ge-
wisse Asymmetrie anhaftet. Sehr gut hat
sich die architektonische Fassadengestaltung
mit der Betonung der Horizontalen und mit
dem feinen „Stabwerk" erhalten.
Z.Z. behauptet sich dieser Bau, der eigent-
lich eine parkartige Umgebung verlangt,
gegenüber den benachbarten Wohn- und Ver-
waltungsgebäuden erstaunlich gut und prägt
vor allem mit seiner in der Achse der Herren-
häuser Allee liegenden Nordwestfassade den
Königsworther Platz.
DIE ENTWICKLUNG DES SPÄTEN 19. JH.
Im 19. Jh. hatte sich vor dem Clever Tor
im Areal zwischen Leine und Brühlstraße
Gewerbe niedergelassen, eine Nutzungsform,
die sich bis heute besonders an der Dreyer-
straße und der Andertenschen Wiese gehal-
ten hat. Die planvolle Aufschließung dieses
Bereichs begann 1881 mit der Anlage der
Oeltzenstraße und wurde 1889 durch die
Königsworther-, 1892 durch die Hartwig-
straße und 1894 im Bereich der Glocksee
nach Nordwesten durch die Grotefendstraße
fortgesetzt. Der größte Teil der Bebauung an
diesen Straßen entstand bis 1900, die Zer-
störungen durch den Zweiten Weltkrieg
sind unterschiedlich, aber nicht so gravie-
rend wie z.B. südlich der Goethestraße.

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