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Ness, Wolfgang
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 2): Stadt Hannover — Braunschweig, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.44415#0104

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HILDESHEIMER STRASSE

St. Bernward-Kirche

anordnung läßt darauf schließen, daß die
Handwerker sie möglicherweise in Form
wechselseitiger Unterstützung bauten.
Die Gebäudegruppe Landwehrstraße 61 -71
und Weststraße 2 besteht aus zweigeschossi-
gen traufständigen Backsteinbauten, die mit
einfachen Ziegelziersetzungen und glasierten
Sohlbänken gestaltet sind. Jedes Gebäude
wird durch ein mittiges Zwerchhaus betont,
das sich aus dem Kniestock heraus entwik-
kelt. Die gesamte Gruppe bekommt eine klare
optische Gliederung durch die Anordnung von
zwei breiteren Gebäuden mit jeweils acht Fen-
sterachsen an den Außenseiten und fünf
schmaleren Häusern mit jeweils sechs Ach-
sen dazwischen. Die Grundrißkonzeption ist
bei allen Bauten identisch. Die Erschließung
der Zweispänner erfolgt von der Rückseite
über ein leicht vorgezogenes Treppenhaus,
das durch einen schmalen Bauwich zwischen
den Häusern zu erreichen ist. Die Wohnungen
bestehen aus drei Zimmern und der Küche;
die Toilette für jeweils zwei Mietparteien liegt
im Treppenhaus.
Die Häusergruppe ist für Döhren als bedeu-
tendes bau- und sozialgeschichtliches Doku-
ment in der Entwicklung des Arbeiterwoh-

nungsbaus zu sehen und prägt in städtebau-
licher Hinsicht entscheidend den Mittelab-
schnitt der Landwehrstraße.
Das unmittelbar angrenzende Gelände wurde
um 1895 ebenfalls von einem Handwerker
aufgekauft, der die Weststraße und die Suth-
wiesenstraße anlegte und das Grundstück in
kleine Parzellen teilte. Die Tatsache, daß an-
schließend keine einheitliche Bebauung er-
folgte, läßt den Schluß zu, daß die neuen
Grundstücke den Einzelinteressenten weiter-
verkauft wurden. Erstaunlich ist in diesem Zu-
sammenhang, daß auf Parzellen, die für den
Wohnungsbau von Arbeiten geschaffen wur-
den eine Villa gebaut wurde. Das Haus West-
straße 6, neben dem erwähnten Direktoren-
haus der „Wolle“ die einzige Villa Döhrens,
entstand etwa 1896. Bauherr war vermutlich
ein Fabrikbeamter der Wollkämmerei. Der
durch Risalite, Erker und Balkone plastisch
gegliederte Baukörper ist speziell zur straßen-
seitigen Fassade mit aufwendigem renais-
sancistischen Dekor versehen. Typologisch
steht die Villa in der Reihe der etwa zeitgleich
in anderen hannoverschen Stadtteilen (Wald-
hausen, Waldheim, Zoo, Kirchrode) errichte-
ten Villen.

Nachdem die Westseite der Landwehrstraße
bis zur Jahrhundertwende nahezu vollständig
mit ein- und zweigeschossigen Häusern be-
baut war, erfolgte im Rahmen der Neuanlage
der Reichhelmstraße im Jahre 1910 der Bau
von zwei dreigeschossigen Eckgebäuden, de-
nen durch Größe und Gestaltung besondere
städtebauliche Qualität zukommt. Landwehr-
straße 75 und 77 sind speziell für die Ecksitua-
tion (Nr. 75 stumpfer Winkel, Nr. 77 spitzer
Winkel) entworfene Einzelobjekte, die im Zu-
sammenwirken eine interessante Eingangs-
situation für die Reichhelmstraße bilden.
ORTSERWEITERUNG ZWISCHEN
LANDWEHRSTRASSE UND
HILDESHEIMER STRASSE
Die starke Zunahme von Arbeitskräften der
„Wolle“ in den achtziger und neunziger Jah-
ren (1890 = 1 200 Beschäftigte) und der damit
einhergehende Wohnungsbedarf zog auch in
Döhren die ersten Bauspekulanten an. 1895
erwarb der Tischlermeister F. Lüddecke zwi-
schen Landwehrstraße und Hildesheimer
Straße ein größeres Grundstück, das beide
Seiten der heutigen Bernwardstraße und
Querstraße einschloß.
Lüddecke hatte durch den hannoverschen Ar-
chitekten J. Holekamp einen Aufteilungsplan
anfertigen lassen, der ein rechtwinkliges Stra-
ßenraster vorsah, in dem der Fiedelerplatz
und die Fiedelerstraße noch nicht vorhanden
waren.
Ein Jahr später wurde ein überarbeiteter Be-
bauungsplan rechtskräftig, der nicht nur den
Besitz von Lüddecke, sondern den gesamten
Bereich zwischen Landwehrstraße im We-
sten, Hildesheimer Straße im Osten, der Will-
merschen Ziegelei im Norden (heutiges Indu-
striegebiet zwischen Willmerstraße und Bahn-
linie) und der Triftstraße, der heutigen Abel-
mannstraße, im Süden umfaßte. Als Mittel-
punkt der großen Ortserweiterung war ein
zentraler, repräsentativer Platz geplant, der in
eine breite, diagonal verlaufende Verbin-
dungsstraße vom Dorf zur Hildesheimer Stra-
ße eingebunden war. Das übrige Straßensy-
stem bestand aus einem annähernd orthogo-
nalen Raster. In den folgenden Jahren wurden
die einzelnen Parzellen verkauft. Die im Jahre
1899 beginnende Bebauung hatte bis zum Er-
sten Weltkrieg bereits den größten Teil des
Gebietes abgedeckt und fand in den zwanzi-
ger Jahren ihre Vollendung.

Landwehrstraße 61 -71, Wohnhäuser, um 1895

Bis zum Ende des 19. Jh. war die Hildeshei-
mer Straße im Bereich der Dohrener Feldmark
nur sehr spärlich bebaut. Neben einigen klei-
neren Ziegeleien im Landwehrfeld befand sich
lediglich eine kleine Hofanlage, von der heute
der um 1885 erbaute Stall als einziges Gebäu-
de erhalten ist (Hildesheimer Straße 230). Der
eingeschossige Backsteinbau wurde in der
Zeit nach der Jahrhundertwende durch An-
bauten in Fachwerk erweitert und als Gast-
wirtschaft genutzt. Diese Nutzung besteht
noch heute.

Weststraße 6, Villa, um 1896

Landwehrstraße 77, 75, Wohnhäuser, 1910

Bevor im Rahmen der Planung für das Land-
wehrfeld die Westseite der Hildesheimer Stra-

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