sehe Baukunst der Jahrhundertmitte. Knapp
zwanzig Jahre später hielt sich der Baumei-
ster von Nr. 15 an die Formen der Hannover-
schen Bauschule und gab dem an bevorzug-
ter Lage stehenden Eckgebäude die ab-
wechslungsreiche Silhouette.
Die beiden gegenüberstehenden, im Ein-
gangsbereich verbundenen Villen Nr. 16 und
17 leiteten 1917 die Bebauung der südlichen
Straßenseite ein. Sie entstanden als Domizil
für die Direktoren der Lindener Eisen- und
Stahlwerke (gegründet 1873/79 am Bernhard-
Caspar-Weg), welche ganz offenbar am Er-
sten Weltkrieg profitierten. Die Gestaltung des
jeweiligen Baukörpers, des Daches, die sym-
metrische Fassadengliederung mit ihrer „Ko-
lossalordnung“ und den nüchternen, reduzier-
ten Architekturelementen, das Material und
der eingelassene bzw. applizierte Terracotta-
schmuck weisen die Gebäude als typische
Vertreter des „Klinker-Klassizismus“ aus. Die
Thematik der Bauplastik stellt die Verbindung
zur Lindener Industrie her. Die Häuser sind
weitgehend ungestört; auch hier haben sich
die Vorgärten mit der originalen Begrenzung
erhalten.
Niemeyerstraße 6 ist ein viergeschossiger ro-
ter Backsteinbau mit ausgebautem Dach und
Läden im Erdgeschoß. Er besitzt, bedingt
durch das schmale trapezförmige Grundstück
zwischen Niemeyer- und Egestorffstraße, drei
Schauseiten, die durch hohe Erker mit ab-
schließenden Zwerchhäusern gegliedert sind.
Verschiedene Gesimse, Mauervorsprünge,
Fensternischen, Formsteine usw. geben den
Fassaden entsprechend dem Stilwillen der
Hannoverschen Bauschule das lebhafte Re-
lief; leider ging der ursprünglich reiche Fialen-
schmuck der Giebel weitgehend verloren. Der
malerische und städtebauliche Reiz dieser Ar-
chitektur erschließt sich besonders von der
Falkenstraße aus.
Das Haus entstand um 1890 als eines der er-
sten nach der selbstbewußten Planung des
Lindener Marktes und des dazugehörigen
neuen Straßensystem.
LINDENER MARKTPLATZ UND
NACHBARSTRASSEN
Etwa auf halbem Weg zwischen der Kirche
und der Brücke nach Hannover gründete die
junge Stadt ihr Zentrum; mit keiner anderen
Planung setzte sie einen so deutlichen
Schlußstrich unter die dörfliche Vergangen-
heit. Zur Anlage des Marktes wurde die alte
Dorfstraße (Davenstedter-/Falkenstraße) an
ihrem Knick nach Westen zu verbreitert, so
daß ein rechteckiger Platz entstand. Die Ach-
se vom Schwarzen Bär, die Falkenstraße, er-
hielt ihre Verlängerung Richtung Industriege-
biet in der Egestorffstraße und - von dieser
abzweigend - der Badenstedter Straße, so
daß der Durchgangsverkehr zu den westli-
chen Stadtgebieten südlich am Markt vorbei-
geleitet wurde. Die weniger verkehrsreiche
Nord-Süd-Verbindung über die alte Posthorn-
straße und die konzipierte Stephanusstraße
(erst 1905 angelegt) verlief dagegen über den
Platz, auf dem außerdem die nun zur Neben-
straße degradierte Davenstedter- und die
neuabgesteckten Schwalenberger- und Hee-
sestraße mündeten. Die Neuplanung kollidier-
te an der Schwalenberger- und der Daven-
stedter Straße mit den alten dörflichen Struk-
Lindener Marktplatz, Blick nach Norden
turen, manche Brüche sind heute noch sicht-
bar. Aus der Zeit vor der Marktgründung
stammt z.B. auch die Villa an der Nordostecke
des Platzes (Davenstedter Straße 4, s.u.). Die
Platzfronten wurden nach z.T. langwierigen
Enteignungsverfahren zwischen 1892 und
1902 geschlossen; relativ gut erhalten haben
sich auf der Ost-, Nord- und Westseite groß-
städtische Mietwohnhäuser, die entspre-
chend ihrer Lage am neuen Stadtzentrum
sämtlich Läden oder Gaststätten im Erdge-
schoß beherbergen (Lindener Marktplatz
2-12). Es handelt sich bis auf Nr. 2 um Ver-
blendziegelbauten, deren Architekten sich
entweder der gotisierenden Elemente der
Hannoverschen Bauschule bedienten (z.B.
Nr. 7), sie stilistisch weiterentwickelten (z.B.
Nr. 6, 8), oder dem renaissancistischen Stil
der traditionellen Repräsentationsarchitektur
des späten 19. Jh. mit ihrer reichen Putzglie-
derung nacheiferten (z.B. 3, 5, 9, Stephanus-
straße 1). Der symmetrisch angelegte und
reich mit Erkern, Loggien usw. ausgestattete
Eckbau zur Falkenstraße, abgehoben durch
das Material (Putz, ehemals mit Dekor, und
Natursteinvorlagen in der Ladenzone), ist das
stilistisch jüngste Gebäude dieser Gruppe.
Das neue Stadtzentrum wurde mit zwei be-
deutenden öffentlichen Bauten ausgestattet:
1899 entstanden das kaiseriiehe Postamt
(heute Ersatzbau) und 1897/99 nach Plänen
von E. Seydel das zweite Lindener Rathaus
(Lindener Marktplatz 1, vgl. Deisterstraße 19),
dessen reiche, auf mittelalterliche Backstein-
gotik-Vorbilder zurückweisende Architektur
im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und
1954/56 stark reduziert wieder hergestellt
wurde. Zur ursprünglichen Ausstattung des
Marktplatzes gehört der 1896 von Lindener
Bürgern gestiftete Nachtwächterbrunnen von
H. Dammann. Seit jenem Jahr wird hier Wo-
chenmarktgehalten.
Die großstädtische Bebauung findet sich
gleichfalls in den Nachbarstraßen. Im An-
schluß an den Rathausflügel an der Egestorff-
122
zwanzig Jahre später hielt sich der Baumei-
ster von Nr. 15 an die Formen der Hannover-
schen Bauschule und gab dem an bevorzug-
ter Lage stehenden Eckgebäude die ab-
wechslungsreiche Silhouette.
Die beiden gegenüberstehenden, im Ein-
gangsbereich verbundenen Villen Nr. 16 und
17 leiteten 1917 die Bebauung der südlichen
Straßenseite ein. Sie entstanden als Domizil
für die Direktoren der Lindener Eisen- und
Stahlwerke (gegründet 1873/79 am Bernhard-
Caspar-Weg), welche ganz offenbar am Er-
sten Weltkrieg profitierten. Die Gestaltung des
jeweiligen Baukörpers, des Daches, die sym-
metrische Fassadengliederung mit ihrer „Ko-
lossalordnung“ und den nüchternen, reduzier-
ten Architekturelementen, das Material und
der eingelassene bzw. applizierte Terracotta-
schmuck weisen die Gebäude als typische
Vertreter des „Klinker-Klassizismus“ aus. Die
Thematik der Bauplastik stellt die Verbindung
zur Lindener Industrie her. Die Häuser sind
weitgehend ungestört; auch hier haben sich
die Vorgärten mit der originalen Begrenzung
erhalten.
Niemeyerstraße 6 ist ein viergeschossiger ro-
ter Backsteinbau mit ausgebautem Dach und
Läden im Erdgeschoß. Er besitzt, bedingt
durch das schmale trapezförmige Grundstück
zwischen Niemeyer- und Egestorffstraße, drei
Schauseiten, die durch hohe Erker mit ab-
schließenden Zwerchhäusern gegliedert sind.
Verschiedene Gesimse, Mauervorsprünge,
Fensternischen, Formsteine usw. geben den
Fassaden entsprechend dem Stilwillen der
Hannoverschen Bauschule das lebhafte Re-
lief; leider ging der ursprünglich reiche Fialen-
schmuck der Giebel weitgehend verloren. Der
malerische und städtebauliche Reiz dieser Ar-
chitektur erschließt sich besonders von der
Falkenstraße aus.
Das Haus entstand um 1890 als eines der er-
sten nach der selbstbewußten Planung des
Lindener Marktes und des dazugehörigen
neuen Straßensystem.
LINDENER MARKTPLATZ UND
NACHBARSTRASSEN
Etwa auf halbem Weg zwischen der Kirche
und der Brücke nach Hannover gründete die
junge Stadt ihr Zentrum; mit keiner anderen
Planung setzte sie einen so deutlichen
Schlußstrich unter die dörfliche Vergangen-
heit. Zur Anlage des Marktes wurde die alte
Dorfstraße (Davenstedter-/Falkenstraße) an
ihrem Knick nach Westen zu verbreitert, so
daß ein rechteckiger Platz entstand. Die Ach-
se vom Schwarzen Bär, die Falkenstraße, er-
hielt ihre Verlängerung Richtung Industriege-
biet in der Egestorffstraße und - von dieser
abzweigend - der Badenstedter Straße, so
daß der Durchgangsverkehr zu den westli-
chen Stadtgebieten südlich am Markt vorbei-
geleitet wurde. Die weniger verkehrsreiche
Nord-Süd-Verbindung über die alte Posthorn-
straße und die konzipierte Stephanusstraße
(erst 1905 angelegt) verlief dagegen über den
Platz, auf dem außerdem die nun zur Neben-
straße degradierte Davenstedter- und die
neuabgesteckten Schwalenberger- und Hee-
sestraße mündeten. Die Neuplanung kollidier-
te an der Schwalenberger- und der Daven-
stedter Straße mit den alten dörflichen Struk-
Lindener Marktplatz, Blick nach Norden
turen, manche Brüche sind heute noch sicht-
bar. Aus der Zeit vor der Marktgründung
stammt z.B. auch die Villa an der Nordostecke
des Platzes (Davenstedter Straße 4, s.u.). Die
Platzfronten wurden nach z.T. langwierigen
Enteignungsverfahren zwischen 1892 und
1902 geschlossen; relativ gut erhalten haben
sich auf der Ost-, Nord- und Westseite groß-
städtische Mietwohnhäuser, die entspre-
chend ihrer Lage am neuen Stadtzentrum
sämtlich Läden oder Gaststätten im Erdge-
schoß beherbergen (Lindener Marktplatz
2-12). Es handelt sich bis auf Nr. 2 um Ver-
blendziegelbauten, deren Architekten sich
entweder der gotisierenden Elemente der
Hannoverschen Bauschule bedienten (z.B.
Nr. 7), sie stilistisch weiterentwickelten (z.B.
Nr. 6, 8), oder dem renaissancistischen Stil
der traditionellen Repräsentationsarchitektur
des späten 19. Jh. mit ihrer reichen Putzglie-
derung nacheiferten (z.B. 3, 5, 9, Stephanus-
straße 1). Der symmetrisch angelegte und
reich mit Erkern, Loggien usw. ausgestattete
Eckbau zur Falkenstraße, abgehoben durch
das Material (Putz, ehemals mit Dekor, und
Natursteinvorlagen in der Ladenzone), ist das
stilistisch jüngste Gebäude dieser Gruppe.
Das neue Stadtzentrum wurde mit zwei be-
deutenden öffentlichen Bauten ausgestattet:
1899 entstanden das kaiseriiehe Postamt
(heute Ersatzbau) und 1897/99 nach Plänen
von E. Seydel das zweite Lindener Rathaus
(Lindener Marktplatz 1, vgl. Deisterstraße 19),
dessen reiche, auf mittelalterliche Backstein-
gotik-Vorbilder zurückweisende Architektur
im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und
1954/56 stark reduziert wieder hergestellt
wurde. Zur ursprünglichen Ausstattung des
Marktplatzes gehört der 1896 von Lindener
Bürgern gestiftete Nachtwächterbrunnen von
H. Dammann. Seit jenem Jahr wird hier Wo-
chenmarktgehalten.
Die großstädtische Bebauung findet sich
gleichfalls in den Nachbarstraßen. Im An-
schluß an den Rathausflügel an der Egestorff-
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