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Ness, Wolfgang
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 2): Stadt Hannover — Braunschweig, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.44415#0134

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LICHTENBERGPLATZ
Direkt am Lichtenbergplatz liegen acht Parzel-
len: je zwei zusammenhängende auf der Süd-
ost- und Nordwestseite (Nr. 1, 2; 5, 6) und je
zwei Einzelgrundstücke auf der Nordost- und
Südwestseite (Nr. 3, 4; 7, 8). Die Bebauung
setzte 1889 mit dem Eckhaus südlich der Gar-
tenallee ein (Nr. 2) und wurde 1900 abge-
schlossen (Nr. 5, 6). Es handelt sich um vier-
geschossige, meist zweispännige Mietwohn-
häuser mit ausgebautem Dachgeschoß; bis
auf Nr. 1 haben alle im Erdgeschoß Läden
oder Lokale. Die Baukörper reichen mit Erkern
und Baikonen in den Platzraum, Ausbauten
beleben die Dachzonen. Als Fassadenmate-
rial herrscht roter Verblendziegel mit Putzglie-
derung im von Weserrenaissance und Barock
beeinflußten Stil des späten 19. Jh. vor. Der
Dekor umfaßt sowohl figürliche als auch
pflanzliche Motive und trägt entscheidend zur
Plastizität der Fassaden bei. Lediglich das
ältere Haus Nr. 2 weicht durch eine gelbe Ver-
blendziegelfassade mit roten Zierbändern und
Formsteinen ab, deren Elemente an die Han-
noversche Bauschule erinnern.

Im Zweiten Weltkrieg gingen z.T. die prächti-
gen Giebel und Dachausbauten verloren,
Fenster und einige Balkonbrüstungen unterla-
gen Modernisierungen; im ganzen vermitteln
die in freier Symmetrie konzipierten Bauten je-
doch noch immer den Eindruck einer origina-
len Geschlossenheit. Die Fassaden orientie-
ren sich auf den Platz und leiten gleichzeitig in
die einmündenden Straßen über; die - mehr-
heitlich auf die Ecken des regelmäßigen Platz-
grundrisses treffend - abwechslungsreiche
Ansichten und vielfältige Ausblicke ermögli-
chen. Hinter den Kopfbauten ist die Bauflucht
in einigen Straßen zurückgelegt; der Straßen-
raum erweitert sich um den begrünten Vorgar-
tenbereich, so daß zwischen den aufragen-
den, plastisch gestalteten Häuserfronten des
Platzes und der Straßen ein differenziertes
Raumgefüge organisiert ist, das sich partiell
zu besonderer Qualität verdichtet (vgl. z.B.
Wittekindstraße). Eine wesentliche Rolle spie-
len der begrünte Vorgartenbereich und der
alte Baumbestand am Nordabschnitt der Kü-
chengartenstraße. Hier gibt es ein Zusam-
menwirken zwischen Architektur und gestalte-
ter Vegetation, das seinen Mittelpunkt in dem
schmückenden Rondell auf dem Lichtenberg-

Lichtenbergplatz zwischen Wittekindstraße und Küchengartenstraße


Küchengartenstraße, Feuerwehrgebäude,
um 1898


Lichtenbergplatz 8, Wohnhaus, um 1898


Lichtenbergplatz zwischen Haasemannstraße und Küchengartenstraße


platz fand, von dem die beherrschende Kasta-
nie - einer der imponierendsten Bäume im
Stadtgebiet - übrig blieb. Die gesamte Anla-
ge mit ihrer auf Repräsentation ausgerichte-
ten Architektur gehört zu den schönsten Plät-
zen der Jahrhundertwende in Hannover.
Ohne die angrenzende Bebauung der Stra-
ßen verlöre der Platz sicher einen Teil seiner
räumlichen Qualität. Während der Südab-
schnitt der Küchengartenstraße durch die
Flachbauten der Ostseite unvollendet wirkt,
verdienen außer der Wittekindstraße (s.o.) die
Gartenallee und die Haasemannstraße be-
sonderes Interesse.
GARTENALLEE,
MINISTER-STÜVE-STRASSE
UND QUERSTRASSEN
In der Gartenallee stößt eine Gruppe von an-
spruchsvoll ausgestatteten Wohnhäusern
(Nr. 18,19,20,20a, 21), erbaut etwa 1900, mit
reich dekorierten, symmetrisch konzipierten
und von der Straße zurückgesetzten Fassa-
den an die Gebäude am Lichtenbergplatz. Ge-
genüber steht der Rest einer Villa - ein Zei-
chen dafür, welches Ansehen diesem Quar-
tier um 1900 zugedacht war.
Eine gewisse Dissonanz folgt aus der Neube-
bauung des Ostteils der Gartenallee; auf der
Nordseite war 1852 die Brauerei Brande &
Meyer gegründet worden (seit 1872 Lindener
Aktien Brauerei), die um 1900 bereits das ge-
samte Dreieck zwischen Blumenauer-, Ste-
phanusstraße und Gartenallee einnahm.
Kriegszerstörungen, Wiederaufbau und Neu-
bauten haben den älteren Gebäudebestand
eleminiert. Die Häuser auf der Südseite der
Gartenallee gingen im Zweiten Weltkrieg ver-
loren.
Dagegen haben einige Gebäude an der Ste-
phanusstraße und der Minister-Stüve-Straße
den Bombenhagel fast unbeschadet über-
standen. Zu diesen gehört eine Gruppe von
fünfgeschossigen Klinkerbauten mit Läden im
Erdgeschoß und zurückgelegtem oberstem
Geschoß (Stephanusstraße 3, 5, 7, 9, 11,13,
15), die unmittelbar an die Bauten um den Lin-
dener Marktplatz (s.o., Nr. 9 und Stephanus-
straße 1) grenzen. Entstanden in den zwanzi-
ger Jahren weisen sie häufig verwandte Stil-
merkmale dieser Zeit auf: braun-rot-violettes
Fassadenmaterial, einheitsstiftende Aneinan-
derreihung gleicher Motive; durch gesimsarti-
ge Elemente zusammengefaßte Fensterzone,
aus der zusammen mit der Negierung des Da-
ches (es handelt sich um ein verstecktes Sat-
teldach) die Betonung der Horizontalen resul-
tiert; keilförmige Erker, welche sich in der Sei-
tenansicht spitzig hintereinanderstaffeln. Ei-
nen anheimelnden Schmuck bilden die hüb-
schen Terrakottafiguren.
In den ersten fünf Jahren nach Anlage der Mi-
nister-Stüve-Straße errichtete man die Häu-
ser Nr. 14, 16, 18. Gemeinsam ist ihnen die
Ausstattung mit Erkern und Baikonen, die dif-
ferenzierte Dachgliederung, die spezifische
Kombination unterschiedlichen Fassadenma-
terials und die dekorative, vom Jugendstil
angeregte Fassadengestaltung; gleichzeitig
machen die Fassaden jedoch deutlich, daß
auf eine gewisse Besonderheit Wert gelegt
wurde: Der Architekt von Nr. 16 verwertete

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