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Ness, Wolfgang
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 2): Stadt Hannover — Braunschweig, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.44415#0145

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bauung wurde 1982/83 abgerissen. Die vier-
geschossigen zweispännigen Häuser mit ab-
geschlossenen Wohnungen (drei Räume, Kü-
che, Flur, Toilette am Treppenhaus) entspra-
chen in etwa dem „Normaltyp“ in der List; al-
lerdings zeigt die Gestaltung der Straßenfas-
saden mit ihrer gegliederten Dachzone und
dem durchaus reichen Dekor im Stil der Han-
noverschen Bauschule, daß der nüchterne
„Polierstil“ der älteren Gebäude in der List
überholt war, und der Verein nahestehende
Architekten mit dem Entwurf beauftragt hatte:
Körber, Hartmann, Heine, Blaszyk.
Bis auf einige kriegs- und sanierungsbedingte
Beeinträchtigungen haben sich die Vorderge-
bäude gut erhalten. Wie die Objekte in der List
besitzt dieser Block große geschichtliche Be-
deutung für die Entwicklung des Arbeiterwoh-
nungsbaus und für die emanzipatorische Ge-
nossenschaftsbewegung in Hannover.
Kurz vorder Jahrhundertwende wurden in Lin-
den-Nord zwei weitere Volksschulen gebaut;
diese vom Stadtbauamt unter G. Fröhlich sehr
ähnlich disponierten Schulen liegen an der
Fröbel- (heute Albert-Schweitzer-Schule, er-
richtet 1897) und an der Salzmannstraße
(heute Orientierungsstufe Salzmannstraße,
errichtet 1899); ihre Größe (vorgesehen für
1968 bzw. 1952 Schüler) läßt Rückschlüsse
auf die Zunahme der Einwohnerzahl im Stadt-
teil zu.
KATHOLISCHES GEMEINDEZENTRUM
Der letzte und größte Schulbau entstand als
katholische Unterrichtsanstalt in Zusammen-
hang mit einem „katholischen Zentrum“ zwi-
schen Offenstein-, Benno-, Henniges- und
Velvetstraße vis ä vis der Wohnanlage des
Spar- und Bauvereins (s.o.) und der Arbeiter-
kolonie. Auf dem rechteckigen Areal konzen-
trierte man die St.-Benno-Kirche (Offenstein-
straße 4, erbaut 1901/02), das Pfarrhaus (Of-
fensteinstraße 8, erbaut 1902/03), das St.-Jo-
seph-Stift (Bennostraße 4, erbaut 1903/04)
und die Eichendorff-Schule (Hennigesstraße
3, erbaut 1906/08).
Die Kirche nimmt die Südostecke des Karres
ein; die Fassade wendet sich nach Osten, der
Chor liegt im Westen. Das Pfarrhaus steht
nördlich etwa in Höhe der am Chor angebau-
ten Sakristei an der Grenze zum Schulhof. Der
ehemals östlich vorgelagerte Garten ist heute
z.T. durch einen modernen Flachbau (Ge-
meindebüro usw.) überbaut. Die Pläne für die
beiden Objekte lieferte Chr. Hehl (s.o. erstes
Lindener Rathaus, Deisterstraße 19; s.u. St.
Godehard-Kirche, Posthornstraße23). Im Ge-
gensatz zum Pfarrhaus, das vergrößert wur-
de, hat sich das Kirchengebäude ziemlich un-
verändert erhalten; ausgewechselt wurden
die Glasfenster und die Möblierung; verblüf-
fend in einem Backsteinbau wirkt der neue In-
nenanstrich mit seinen weißen Wänden und
„sandsteinbraun“ gehaltenen Architekturtei-
len (Stützen, Rippen, Bögen usw.).
Es handelt sich um eine gewölbte Basilika mit
weitem, durch Hauptportal und Vorhalle er-
schlossenem Mittelschiff, das auf den quer-
rechteckigen Altarraum mit 5/10 Apsis ausge-
richtet ist. Nördlich des Chores die Sakristei.
Durch kleine quadratische zurückspringende
Eingangsräume beidseitig der Westfassade

betritt man die schmalen Seitenschiffe, die
sich in den beiden westlichen Jochen quer-
hausartig verbreitern und je in einer polygo-
nalen Apsis münden. Auffällig an dem durch
unterschiedliche Dächer, Strebepfeiler, spitz-
bogige Fenster und gotisierende Zierformen
gegliederten roten Backsteinbau ist die mittel-
schiffsbreite turmartig hochgeführte Ostfassa-
de, die statt eines für die Gemeinde zu kost-
spieligen Turmes entstand. Hier finden sich in
den Fenstergruppen schmückende Putzfelder
kombiniert mit Steinsetzungen, die ähnlich an
den Zwerchgiebeln des Pfarrhauses auftau-
chen.
Westlich von Kirche und Pfarrhaus schließt
das St.-Joseph-Stift das Areal an der Benno-
straße. Durch das Material (roter Verblendzie-
gel) und die gotisierenden Formen gleicht sich
der Bau der kirchlichen Gebäude an. Die Plä-
ne stammen von Fr. Gleitze. Deutlich lassen
sich frühzeitige Erweiterungen im Norden und
Süden ablesen. Im Laufe der Jahre nahm das
Gebäude Kindergarten (bis etwa 1908) und
Krankenhaus auf und erhielt erst in jüngster
Zeit seine vorgesehene Bestimmung als Al-
tenstift.

Hennigesstraße 10, 8, 6, Wohnhäuser



Offensteinstraße 4, St.-Benno-Kirche, 1901/02,
Architekt Chr. Hehl


Vollendet wurde das katholische Zentrum
durch die zur Hennigesstraße liegende katho-
lische Volksschule (Knaben und Mädchen),
für welche das Stadtbauamt unter G. Fröhlich
die Pläne lieferte. Es handelt sich um eine
konventionell auf Geschlechtertrennung aus-
gerichtete symmetrische Dreiflügelanlage mit
roten Verblendziegelfassaden mit farblich ab-
gesetzten Zierfeldern bzw. Sohlbänken. Be-
sondere Betonung liegt auf dem Mittelab-
schnitt des Hauptflügels aus übergiebeltem
Risalit und je einer rahmenden Achse, wo die
gotisierenden Formen offenbar nicht mehr
modische Reminiszenz sondern eine pro-
grammatische Reflexion der sakralen Archi-
tektur bedeuten (vgl. den fast gleichzeitigen
Schulbau von G. Fröhlich Am Lindener Berg
12).
Während der Entstehungszeit fanden sich
rings um das katholische Zentrum an den ab-
gesteckten Straßen gerade fertige Häuser
bzw. Baustellen. Das Wohngebiet schob sich
immer näher an die Fabriken am Ufer heran.
Obwohl die Straßenplanung vorlag, waren -
wie am Pfarrlandplatz - noch leichte Modifi-
zierungen möglich.


Bennostraße 14,12,10, 8, Wohnhäuser

Hennigesstraße 3, Schule, 1906/08,
Architekt G. Fröhlich


Bennostraße 4, St.-Joseph-Stift, 1903/04,
Architekt Fr. Gleitze


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