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Ness, Wolfgang
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 2): Stadt Hannover — Braunschweig, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.44415#0158

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Süden auf dem großen Kamp Leimfabrik Si-
chel (1889).
Limmer wandelte sich langsam zum Vorort
von Linden, Eingemeindung 1909. Entspre-
chend dem Anstieg der Einwohnerzahlen
(1870: 1 159, 1890: 2807, 1900: 3672, 1931:
6644) und der Zunahme der Industrie - nach
der Anlage des Lindener Hafens 1917 wuchs
das Gewerbegebiet mit dem Lindener Gewer-
begebiet zusammen - bedeckt die Besied-
lung heute fast die gesamte ehemalige Feld-
mark. Die Strukturveränderung zeigt sich
deutlich an den historischen Durchgangsstra-
ßen (Wunstorfer- und Harenberger Straße),
wo sich ab ca. 1890 in die weiten Lücken zwi-
schen den kleinen ländlichen Wohnhäusern
mehrgeschossige Mietwohnhäuser - häufig
mit Ladeneinbauten - schoben. An neuange-
legten Straßen - vor allem zwischen Wun-
storfer- und Harenberger Straße und im soge-
nannten Fössefeld südlich der Weidestraße -
entstanden städtische Wohnsiedlungen. Den
Ostrand des Stadtteils prägen seit den fünfzi-
ger (Fössebad) und sechziger Jahren weiträu-
mige öffentliche Gebäude (Realschule Fösse-
feld und Technische Universität).

36 LIMMER

Heute bilden die Güterumgehungsbahn im
Westen, die Fösse im Süden, der West-
schnellweg im Osten und der Leineabstiegs-
kanal zusammen mit einem Stück der Wun-
storfer Straße im Norden die Grenzen des
Stadtteils. Bis auf den Abschnitt an der Fösse
decken sich diese aktuellen nicht mit den hi-
storischen Grenzen, sind vielmehr erst im 20.
Jh. entstanden, bilden jedoch einprägsame
Zäsuren zu den benachbarten Stadtteilen.
GESCHICHTE UND ENTWICKLUNG
Ob der Name Limmer (1122 = Limbere) tat-
sächlich mit „Lehmberg“ zu erklären ist, bleibt
fraglich. Tatsächlich legt die Topographie eine
derartige Erklärung nahe, da das Dorf hoch-
wassergeschützt auf einer Anhöhe oberhalb
des Leineufers nördlich der alten Heerstraße
nach Wunstorf liegt.
Unklar ist die Entstehungszeit: Eine im 12. Jh.
gefälschte Urkunde gibt vor, daß der Ort be-
reits 1022 Stiftszubehör von Hildesheim ist;
Sicherheit bietet dagegen die Nachricht, daß
1187 bis etwa 1250 eine verschwundene Burg
in Limmer Sitz der Grafen von Roden (Lim-
mer-Wunstorfer Linie) war.
Die zu dieser Burg gehörende bescheidene
Ansiedlung hatte bereits 1268 eine dem Heili-
gen Nikolaus geweihte Kirche, die zum Archi-
diakonat Pattensen gehörte und unter dem
Patronat des Klosters Marienwerder stand,
dem sie 1328 zusammen mit der Lindener
Martinskirche vollständig einverleibt wurde.
Zum Kirchspiel gehörten die Nachbardörfer
Velber, Davenstedt und Ahlem.
Nur spärlich sind die Nachrichten über diese
Ansiedlung: Reformation 1530, Schulgrün-
dung 1602, mehrmalige Zerstörung im Drei-
ßigjährigen Krieg. 1690 lebten 147 Menschen
in Limmer, die sich z.T. am Schloßbau in Her-
renhausen beteiligten, bzw. in der dafür einge-
richteten Ziegelei (1690-1735) nahe der Fös-
se an der Wunstorfer Straße arbeiten mußten.

Eine Mühle befand sich in der Gabelung zwi-
schen heutiger Franz-Nause-/Weidestraße,
sie wurde 1784/85 durch eine Bockmühle am
Ostende der heutigen Ratswiese ersetzt (Hü-
gel noch sichtbar).
1779 entdeckte der Botaniker Erhärt im Lim-
merholz eine schwefelhaltige Quelle, die nach
der Wasseranalyse zu Heilzwecken ausge-
beutet wurde; 1794 eröffnete die königliche
Kammer einen bescheidenen Badebetrieb.
Die Gemeinde Limmer bzw. die Bewohner
hatten von dieser Einrichtung kaum einen
Nutzen.
Zu jener Zeit lebten etwa 330 Menschen in
Limmer (2 Voll-, 3 Halbmeier, 14 Groß-, 6
Kleinköter, 6 Brinksitzer, 4 Kirchhöfner). Die
Kirchhöfner drängten sich um die Kirche, die
übrigen Anwesen nahmen das Areal bis zur
Wunstorfer Straße; hier standen westlich der
Großen Straße der Erbkrug und gegenüber
einige wenige weitere Gebäude. 1808 zerstör-
te ein Brand fast den gesamten Dorfkern. Dar-
aufhin ließ die Obrigkeit die Randbebauung
des Kirchhofs nicht mehr zu und siedelte die
ehemaligen Kirchhöfner an den Sandberg
zwischen Wunstorfer- und Harenberger Stra-
ße um (heutige Kirchhöfnerstraße) - die erste
Erweiterung des Dorfes nach Südosten. Aller-
dings veränderte sich das Dorf bis 1875 kaum:
Einige wenige handwerkende Anbauern und
ein größerer Bauer ließen sich an der Wun-
storfer Straße nieder. 1837 erfolgte die Grün-
dung einer Werft für „Bremer Böcke“ (heute
Gelände der TU), und 1858 entstand an der
Wunstorfer Straße eine Ziegelei (heute Park-
platz der Continentalwerke). Erst im 4. Viertel
des 19. Jh. entwickelten sich aus einigen
Handwerksbetrieben größere Unternehmen,
ließen sich Fabriken in der Feldmark nieder:
am östlichen Teil der Wunstorfer Straße z.B.
Dampfmühle und Kornbrennerei Eppers
(1878), Maschinenfabrik Engelke (1879), Fär-
berei Stichweh (1891), Bettfederfabrik Rüden-
berg (1895), Kesselfabrik Jünke & Lapp
(1899); am westlichen Abschnitt der Wunstor-
fer Straße Gummifabrik Excelsior (1899); im

Wegesystem
Im 18. Jh. war Limmer ein Haufendorf, dessen
innerdörfliches Wegesystem aus zwei ge-
schwungenen, von der Wunstorfer Straße zur
Kirche führenden und am Kirchhof verbunde-
nen Straße (Große- und Sackmannstraße)
und abzweigenden Hofzufahrten bestand.
Den heutigen Bedingungen angeglichen hat
sich dieses Wegesystem weitgehend erhal-
ten, allerdings bildete sich in der 2. Hälfte des
19. Jh. aus der von der Großen Straße ausge-
henden Zufahrt zu einem ausgesiedelten Hof
der heutige Twedenweg.
Die Chaussee nach Wunstorf, die vom
Schwarzen Bären (Linden) kommend bei der
Wüstung Erder eine Furt über die Fösse hatte,
führte südlich des Dorfkernes vorbei u.a. nach
Ahlem. Weitere wichtige historische Verbin-
dungen waren die westlich der Furt abzwei-
gende Harenberger Straße, von der ein Weg
nach Velber abging (nur noch auf dem Gebiet
von Ahlem/Velber als In der Steinbreite/Stadt-
weg erhalten), und die Holzrehre im Limmer-
holz, die über die heutige Brunnenstraße den
Kirchweg für die Davenstedter Bauern zur Kir-
che in Limmer bildete.
Einige Wege in der Feldmark sind ebenfalls
noch erkennbar: z.B. die Viehtrift zwischen
Dorf und „Koppel“ im Leinebogen: heute
Stockhardtweg, z.B. der Zuweg zur 1784/85
eingerichteten Mühle: heute Ratswiese.
Den Schloßbezirk Herrenhausen erreichte
man über einen Holzsteg westlich der Fösse-
mündung und über einen zweiten nahe der
seit 1718 installierten Wasserkunst (vgl. Han-
nover Teil I, Herrenhausen). Dieses histori-
sche Wegesystem wurde nach dem Brand
von 1808 durch die Ansiedlung der Kirchhöf-
ner an der Kirchhöfnerstraße das erste Mal
planend erweitert (Plan des Landbaumeisters
Wedekind/Hannover). Vor allem in den drei
Jahrzehnten bis 1900 entstanden die neuen
Straßen südlich von Wunstorfer und Haren-
berger Straße, deren Verlauf durch den in der

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