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Ness, Wolfgang
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 2): Stadt Hannover — Braunschweig, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.44415#0181

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lung ging 1890 von Wohlenberg, 1900 von
Hackethal aus.
Zu Beginn des 20. Jh. mußte die Landes-
hauptstadt neue Trinkwasserquellen erschlie-
ßen; sie errichtete bei Elze im Allertal ein neu-
es Wasserwerk und 1911 im entstehenden In-
dustriegebiet einen neuen Wasserturm (Vah-
renwalder Straße 267), der mit seinem Behäl-
ter von 4100 m3 Volumen der größte des Kon-
tinents war. Der architektonische Entwurf
stammt von Schaedtler. Er wählte die Form ei-
nes Rundturms mit Reminiszenzen an mittel-
alterliche Wehranlagen (schmaler Eingang,
schießschartenartige Fenster, wehrgangarti-
ge Gestaltung des Obergeschosses). Das un-
regelmäßige Buckelmauerwerk (Kalkstein)
bildet einen lebhaften taktilen Kontrast zum
glattgearbeiteten (Natursteinquader und
Putz), in zwölf Kompartimente gegliederten,
leicht vorkragenden Obergeschoß. Den Turm
deckt ein flaches zwölfeckiges Pyramiddach
mit Aufschiebling und weitem Überstand, des-
sen Ecken und Spitzen durch metallene Zier
betont sind. In seiner „archaischen“ Gestalt
stellt der Turm ein gutes Beispiel der Wasser-
turmarchitektur des frühen 20. Jh. dar und bil-
det mit seinen fast 65 m Höhe ein weithin
sichtbares Landmai.
Etwas südlich des Turmes ließ die Firma
„Hackethal Draht- und Kabelwerke“ 1922
durch den Architekten L. Thiele die Wohn-
hausgruppe „Helenenhof“ für „Werksbeam-
te“ bauen (Vahrenwalder Straße 255, 257,
263, 265, 265a). Der Komplex besteht aus
zwei dreigeschossigen annähernd symmetri-
schen Wohnhäusern unter Walmdach mit
rückwärtig angesetzten niedrigeren Flügeln.
Typisch für diese Art der konservativ-nüchter-
nen Klinkerarchitektur: die Rundbögen, die
polygonalen Erker- bzw. Vorbauformen und
der sparsame, in das Mauerwerk eingelasse-
ne Terrakottaschmuck, wobei der gestalteri-
sche Aufwand gegenüber der Vorkriegszeit
stark reduziert ist. Besondere Bedeutung für
diese Fassaden besitzt die Sprossengliede-
rung der Fenster.
Der Komplex gruppiert sich um eine ehemals
gärtnerisch gestaltete Freifläche. Im Ablauf
der Vahrenwalder Straße setzt er durch Form
und originale Vorgärten mit Pappelbestand ei-
nen wohltuenden Akzent.
50/51 MISBURG-NORD/-SÜD

Beide Stadtteile gehörten ursprünglich zur
selbständigen Stadt Misburg (1963 Stadt-
recht) und bekamen infolge der Eingemein-
dung nach Hannover 1974 zusammen mit
Misburg-Anderten ihren heutigen Status und
neue Grenzen.
Der Stadtteil Misburg-Nord umfaßt den Be-
reich nördlich des Misburger Hafens, um-
schließt im Osten und Norden den Misburger
Wald und grenzt sich im Westen zu Groß-
Buchholz und dem Heideviertel (Osterfeld)
ab. Im Süden bilden die Bahnlinie Hannover-
Braunschweig und der Mittellandkanal die
Grenze. Misburg-Süd besteht im wesentli-
chen aus dem großen Industriegebiet südlich
des Hafens. Im Süden bildet ebenfalls die
Bahnlinie die Grenze zu Anderten, im Osten
schließt sich der Landkreis Hannover an.

DER DORFBEREICH
Ausgangspunkt für die Gründung des Ortes
war eine von den Hildesheimer Bischöfen um
1300 errichtete Burganlage (Mudzborgh), die
vermutlich als „Bollwerk“ gegen das Mindener
Stift dienen sollte, dessen Gebiet zu der Zeit
bis an den Schiffgraben heranreichte. Die
Straße Hinter der Burg erinnert noch an den
ursprünglichen Standort, der heute von der
St.-Anna-Kirche eingenommen wird.
An dem von Sümpfen umgebender, Sandhü-
gel, auf dem die Burg errichtet wurde, entwik-
kelte sich etwa seit dem Anfang des 16. Jh.
das Dorf Misburg. Zu dieser Zeit war die Burg
bereits nicht mehr vorhanden. Ende des 16.
Jh. bestand das Dorf aus 13 Häusern, die bis
zum Ende des 18. Jh. um 9 Brinksitzerstellen
vermehrt wurden. Die Siedlung reihte sich an
der östlichen Straßenseite der Anderter Stra-
ße auf und umfaßte den Bereich zwischen
Meyers Garten und dem Hafen. Von diesem,
bis etwa zur Mitte des 19. Jh. bestehenden
Dorf ist heute nur noch wenig erkennbar. Als
bedeutendster Hof hat sich der Vierständer-
bau Anderter Straße 37 erhalten. Das große,
von der Straße zurückgelegene Gebäude

Vahrenwalder Straße 267, Wasserturm, 1911,
Architekt H. Schaedtler


Anderter Straße 37,
Wohnwirtschaftsgebäude, 1722


wurde nach Kriegszerstörungen wiederaufge-
baut. In ursprünglichen Zustand erhalten ist
der 1722 gebaute Wohnteil mit zweifach vor-
kragendem Giebel auf gerundeten Balken-
köpfen und Füllhölzern. Der heute zu Wohn-
zwecken umgebaute Wirtschaftsteil entstand
mit ausmittiger Diele und auf geschweiften
Knaggen vorkragendem Giebel wohl entspre-
chend dem alten Zustand. Neben diesem Hof
ist aus der älteren Zeit lediglich der 1827 rela-
tiv weit außerhalb des Dorfes angelegte Fried-
hof Am Seelberg erwähnenswert, der seit der
Auflassung 1921 als Grünanlage genutzt wird.
Einige ältere Grabsteine erinnern an die ur-
sprüngliche Nutzung.
Zum Ende des 19. Jh. hatte, insbesondere in
Folge der Gründung der Zementwerke im Jah-
re 1877, die bauliche Entwicklung die Straßen
Meyers Garten, Kurze Straße, die Anfänge
der Hannoverschen Straße, Buchholzer Stra-
ße und Waldstraße, sowie die Westseite der
Anderter Straße erreicht. Das starke Anwach-
sen der Bevölkerung führte zu dieser Zeit
auch zur Gründung einer eigenen Kirchenge-
meinde. Seit 1893 gehörte Misburg nicht mehr
zum Kirchspiel Kirchrode.

Vahrenwalder Straße 263, Wohnhaus-
gruppe „Helenenhof“, Fassadendetail


Anderter Straße 40, St.-Johannis-Kirche, 1904,
Architekt K. Mohrmann


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