nach Süden weiter fort, da die Bebauung zwi-
schen Kirche und der Straße Himmelreich wahr-
scheinlich erst im Anschluß an die Errichtung der
Lateinschule 1614 entstanden sein dürfte.
Der rechteckige, fünfachsige Saalbau, der im
Kern noch mittelalterliche Substanz eines um
1300 errichteten Vorgängers enthält, besitzt im
Osten einen leicht eingezogenen, gerade schlie-
Benden Hallenchor, dessen Giebeldreieck fünf
spitzbogige Blendnischen zieren. Der von kur-
zen, teils erneuerten Strebepfeilern gestützte
Chor wurde vermutlich im späten 15.Jh. errichtet,
so daß sich das überlieferte Datum 1585 wohl auf
eine größere Instandsetzung bezieht. 1905 wur-
de dem Chor der Anbau eines Heizraumes vor-
gelegt. Die 1739/40 ausgeführten Baumaßnah-
men scheinen sich auf eine Neuverblendung aller
Wände in Backstein, die Erneuerung der Fenster
und des Dachstuhls (Ende der fünfziger Jahre
des 20. Jh. erneuert) beschränkt zu haben. Als
Ersatz für einen älteren Turm wurde 1804/07 ein
neuer Westturm aufgeführt, der seit 1876 eine
schlanke, die Stadtsilhouette dominierende Pyra-
mide trägt.
Otterndorf, Kirche St. Severus, Altar, 1664
Im Innern kontrastieren zwei unterschiedliche
Raumformen miteinander: zum einen der weite,
von einer Holztonne des 18.Jh. überspannte
Saal, zum anderen der dreischiffige Hallenchor,
gedeckt von Kreuzrippengewölben über kräfti-
gen Rundpfeilern (auf der Südseite ein sechsteili-
ges Gewölbefeld), der sich zum Schiff hin in ei-
nem nördlichen Spitz-, einem fast korbbogigen,
mittleren Bogen und einem südlichen Rundbo-
gen Öffnet. Das beide Raumteile zusammenbin-
dende Element stellt die reiche, überwiegend
dem 17.Jh. angehörende Ausstattung dar. An
erster Stelle ist hier das 1664 datierte, dem für
den Sachsen-Lauenburger Hof tätigen Schnitzer
Gebhard Jürgen Titge zugeschriebene Altarreta-
bel zu nennen, das seine Entstehung allerdings
einer bürgerlichen Stiftung verdankt. Eingefaßt
von bizarr bewegtem Knorpelwerk, zeigt der
Hauptteil ein von den Figuren Adams und Evas
flankiertes Abendmahlgemälde. Die Kreuzi-
gungsszene darüber rahmen die Vollfiguren der
vier Evangelisten. Innerhalb eines Ovalmedail-
lons ist schließlich im Aufsatz, den die allegori-
schen Figuren von Glaube, Liebe und Hoffnung
schmücken, die Himmelfahrt dargestellt. Für die
Landesherrschaft wurde 1615/16 im Chor eine
Nordempore, der sogenannte Fürstenlektor ge-
schaffen. Seine Brüstung gliedern mit Diamant-
quadern umzogene Rundbogennischen.
Als herausragendes Ausstattungsstück ist die in
Verbindung mit einem Lektor um den südwestli-
chen Chorpfeiler gebaute Kanzel (dat. 1644) her-
vorzuheben, ein Werk des Jürgen Krübel (Glück-
stadt), der identisch ist mit dem Hofbildhauer Kö-
nig Christians IV. von Dänemark, Georg Kriebel,
und die Kanzel im Bremer Dom schuf. In den
durch Säulchen unterteilten und architektonisch
umrahmten Nischen sind die Vollfiguren der Pro-
pheten an der Nordseite, der Evangelisten an der
Kanzelbrüstung und der Apostel an der Westsei-
te eingestellt. Von den zeitgleichen Taufkesseln in
Hadeln und Wursten hebt sich das Otterndorfer
Bronzetaufbecken (Mitte 14.Jh.), dessen drei
Trägerfiguren auf einer dreipaßförmigen Boden-
platte stehen, durch die reich reliefierte Wandung
ab. Im Schiff dominiert die zweigeschossige
Westempore (die untere um 1660, die obere Mit-
te des 18.Jh. entstanden) mit dem Orgelgehäuse
des 17.Jh., das durch 1741 und 1818 ange-
brachte Ornamente bereichert wurde; das Werk
wurde 1936 erneuert. Die Empore findet ihre
Fortsetzung in dem Hohen Stuhl (dat. 1731), der
zur 1642 geschaffenen und im selben Jahr von
Samuel Becker bemalten Nordempore Üüberleitet.
Mehrere Priechen, darunter der 1661 von Jürgen
Heidtmann d. J. gearbeitete Pastorenstuhl im
Chor, das kurz nach 1700 fertiggestellte Gestühl,
Epitaphien des 17. und 18.Jh. sowie einige Grab-
platten des 16. bis 18.Jh. ergänzen die Ausstat-
tung. Sie verleiht der Otterndorfer Kirche neben
Lüdingworth und Altenbruch, zumal als Kirche
des Landesherrn, ihren herausragenden Status
in der Region und dokumentiert darüber hinaus
mit den bedeutenden bürgerlichen Stiftungen
das auf ökonomischer Potenz beruhende Selbst-
verständnis eines einflußreichen städtischen Bür-
gertums.
Abgesehen von dem Bereich um das Rathaus,
findet sich heute der dichteste Denkmalbestand
der Wurtsiedlung mit Bürgerhäusern des 17. und
18.Jh. an den die Kirchenparzelle einfassenden
Straßen, der Johann-Heinrich-Voß-Straße im We-
sten sowie der Straße Himmelreich im Osten und
Süden. Den Auftakt zu der giebelständigen Reihe
der Johann-Heinrich-Voß-Straße bildet der zwei-
geschossige Ziegelbau Nr. 2, der bis 1768 als
Wohnung des Gerichtsdirektors diente. Vermut-
lich gegen Ende des 17.Jh. erhielt das Haus ei-
nen repräsentativen, in dieser Art für die Ottern-
dorfer Architektur einmaligen Volutengiebel. Mit
seiner 1982 von Grund auf sanierten Putzfassa-
de setzt es einen markanten Akzent am Kirch-
platz. Die ziegelsichtige Traufseite des Gebäu-
des an der Cuxhavener Straße und das nach
Westen folgende Haus Nr. 1, ein nachträglich
aufgestocktes und ursprünglich von einem
Mansarddach geschlossenes Wohn-/Geschäfts-
gebäude des späten 19.Jh., schließen die bis zur
Medem reichende Wurtbebauung ab. An der Jo-
hann-Heinrich-Voß-Straße folgt mit der Nr. 8
zunächst das ehemalige Rektorhaus der Latein-
schule, 1778-82 von dem Dichter und Homer-
Übersetzer Johann Heinrich Voß (1751-1826)
bewohnt und damit auch unter kulturhistori-
schem Aspekt von denkmalpflegerischem Inter-
esse. Mit je einer Auslucht beiderseits der mitti-
gen Tür und einem über relativ schlichten Knag-
282
schen Kirche und der Straße Himmelreich wahr-
scheinlich erst im Anschluß an die Errichtung der
Lateinschule 1614 entstanden sein dürfte.
Der rechteckige, fünfachsige Saalbau, der im
Kern noch mittelalterliche Substanz eines um
1300 errichteten Vorgängers enthält, besitzt im
Osten einen leicht eingezogenen, gerade schlie-
Benden Hallenchor, dessen Giebeldreieck fünf
spitzbogige Blendnischen zieren. Der von kur-
zen, teils erneuerten Strebepfeilern gestützte
Chor wurde vermutlich im späten 15.Jh. errichtet,
so daß sich das überlieferte Datum 1585 wohl auf
eine größere Instandsetzung bezieht. 1905 wur-
de dem Chor der Anbau eines Heizraumes vor-
gelegt. Die 1739/40 ausgeführten Baumaßnah-
men scheinen sich auf eine Neuverblendung aller
Wände in Backstein, die Erneuerung der Fenster
und des Dachstuhls (Ende der fünfziger Jahre
des 20. Jh. erneuert) beschränkt zu haben. Als
Ersatz für einen älteren Turm wurde 1804/07 ein
neuer Westturm aufgeführt, der seit 1876 eine
schlanke, die Stadtsilhouette dominierende Pyra-
mide trägt.
Otterndorf, Kirche St. Severus, Altar, 1664
Im Innern kontrastieren zwei unterschiedliche
Raumformen miteinander: zum einen der weite,
von einer Holztonne des 18.Jh. überspannte
Saal, zum anderen der dreischiffige Hallenchor,
gedeckt von Kreuzrippengewölben über kräfti-
gen Rundpfeilern (auf der Südseite ein sechsteili-
ges Gewölbefeld), der sich zum Schiff hin in ei-
nem nördlichen Spitz-, einem fast korbbogigen,
mittleren Bogen und einem südlichen Rundbo-
gen Öffnet. Das beide Raumteile zusammenbin-
dende Element stellt die reiche, überwiegend
dem 17.Jh. angehörende Ausstattung dar. An
erster Stelle ist hier das 1664 datierte, dem für
den Sachsen-Lauenburger Hof tätigen Schnitzer
Gebhard Jürgen Titge zugeschriebene Altarreta-
bel zu nennen, das seine Entstehung allerdings
einer bürgerlichen Stiftung verdankt. Eingefaßt
von bizarr bewegtem Knorpelwerk, zeigt der
Hauptteil ein von den Figuren Adams und Evas
flankiertes Abendmahlgemälde. Die Kreuzi-
gungsszene darüber rahmen die Vollfiguren der
vier Evangelisten. Innerhalb eines Ovalmedail-
lons ist schließlich im Aufsatz, den die allegori-
schen Figuren von Glaube, Liebe und Hoffnung
schmücken, die Himmelfahrt dargestellt. Für die
Landesherrschaft wurde 1615/16 im Chor eine
Nordempore, der sogenannte Fürstenlektor ge-
schaffen. Seine Brüstung gliedern mit Diamant-
quadern umzogene Rundbogennischen.
Als herausragendes Ausstattungsstück ist die in
Verbindung mit einem Lektor um den südwestli-
chen Chorpfeiler gebaute Kanzel (dat. 1644) her-
vorzuheben, ein Werk des Jürgen Krübel (Glück-
stadt), der identisch ist mit dem Hofbildhauer Kö-
nig Christians IV. von Dänemark, Georg Kriebel,
und die Kanzel im Bremer Dom schuf. In den
durch Säulchen unterteilten und architektonisch
umrahmten Nischen sind die Vollfiguren der Pro-
pheten an der Nordseite, der Evangelisten an der
Kanzelbrüstung und der Apostel an der Westsei-
te eingestellt. Von den zeitgleichen Taufkesseln in
Hadeln und Wursten hebt sich das Otterndorfer
Bronzetaufbecken (Mitte 14.Jh.), dessen drei
Trägerfiguren auf einer dreipaßförmigen Boden-
platte stehen, durch die reich reliefierte Wandung
ab. Im Schiff dominiert die zweigeschossige
Westempore (die untere um 1660, die obere Mit-
te des 18.Jh. entstanden) mit dem Orgelgehäuse
des 17.Jh., das durch 1741 und 1818 ange-
brachte Ornamente bereichert wurde; das Werk
wurde 1936 erneuert. Die Empore findet ihre
Fortsetzung in dem Hohen Stuhl (dat. 1731), der
zur 1642 geschaffenen und im selben Jahr von
Samuel Becker bemalten Nordempore Üüberleitet.
Mehrere Priechen, darunter der 1661 von Jürgen
Heidtmann d. J. gearbeitete Pastorenstuhl im
Chor, das kurz nach 1700 fertiggestellte Gestühl,
Epitaphien des 17. und 18.Jh. sowie einige Grab-
platten des 16. bis 18.Jh. ergänzen die Ausstat-
tung. Sie verleiht der Otterndorfer Kirche neben
Lüdingworth und Altenbruch, zumal als Kirche
des Landesherrn, ihren herausragenden Status
in der Region und dokumentiert darüber hinaus
mit den bedeutenden bürgerlichen Stiftungen
das auf ökonomischer Potenz beruhende Selbst-
verständnis eines einflußreichen städtischen Bür-
gertums.
Abgesehen von dem Bereich um das Rathaus,
findet sich heute der dichteste Denkmalbestand
der Wurtsiedlung mit Bürgerhäusern des 17. und
18.Jh. an den die Kirchenparzelle einfassenden
Straßen, der Johann-Heinrich-Voß-Straße im We-
sten sowie der Straße Himmelreich im Osten und
Süden. Den Auftakt zu der giebelständigen Reihe
der Johann-Heinrich-Voß-Straße bildet der zwei-
geschossige Ziegelbau Nr. 2, der bis 1768 als
Wohnung des Gerichtsdirektors diente. Vermut-
lich gegen Ende des 17.Jh. erhielt das Haus ei-
nen repräsentativen, in dieser Art für die Ottern-
dorfer Architektur einmaligen Volutengiebel. Mit
seiner 1982 von Grund auf sanierten Putzfassa-
de setzt es einen markanten Akzent am Kirch-
platz. Die ziegelsichtige Traufseite des Gebäu-
des an der Cuxhavener Straße und das nach
Westen folgende Haus Nr. 1, ein nachträglich
aufgestocktes und ursprünglich von einem
Mansarddach geschlossenes Wohn-/Geschäfts-
gebäude des späten 19.Jh., schließen die bis zur
Medem reichende Wurtbebauung ab. An der Jo-
hann-Heinrich-Voß-Straße folgt mit der Nr. 8
zunächst das ehemalige Rektorhaus der Latein-
schule, 1778-82 von dem Dichter und Homer-
Übersetzer Johann Heinrich Voß (1751-1826)
bewohnt und damit auch unter kulturhistori-
schem Aspekt von denkmalpflegerischem Inter-
esse. Mit je einer Auslucht beiderseits der mitti-
gen Tür und einem über relativ schlichten Knag-
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