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genes, vorwiegend mit Kleinhäusern bebau-
tes Gebiet, das von der Aegidienstraße er-
schlossen wird. Beide Bereiche haben durch
die Zerstörungen des Krieges und Verände-
rungen in der Nachkriegszeit ihr Aussehen
stark verändert. Als einziges Relikt aus der
Vorkriegszeit hat sich auf der Südseite des
ehemaligen Aegidienmarktes ein Renais-
sanceportal mit Sitznischen erhalten. Es ist
auf der der Nordflanke der Aegidienkirche
gegenüberliegenden Seite des 1956 errich-
teten Neubaues Aegidienmarkt 13 wieder
eingebaut worden. Um 1590 entstanden,
zeigt es in seinem Bogen üppiges, vielfältig
gewundenes Beschlagwerk, zwei Wappen
und einen fast vollplastisch gearbeiteten Kopf
im Bogenscheitel.
Mit historisierenden „Fachwerk“-Neubauten
hat man in jüngster Zeit versucht, den abseits
des städtischen Verkehrs, westlich des Aegi-
dienmarktes gelegenen Winkel entlang der
Aegidienstraße wieder attraktiver zu gestal-
ten. Aegidienstraße 5 ist das einzige Ge-
bäude an dieser Straße, dem aufgrund seines
hohen Alters und der noch weitgehend erhal-
tenen originalen Bausubstanz Denkmalwert
zukommt. Das dreigeschossige, traufstän-
dige Fachwerkhaus auf niedrigem Bruch-
steinsockel aus der Mitte des 16. Jh. ist vor
wenigen Jahren behutsam renoviert worden

und dokumentiert mit seiner nur fünf Spann
breiten Front, Zwischengeschoß und vorkra-
gendem ehemaligen Speichergeschoß den
Typ des kleinbürgerlichen Wohn-/Speicher-
hauses, wie er vor dem Zweiten Weltkrieg in
der Stadt noch zahlreich vorhanden war. Pro-
filierte Langriegel unter den Fenstern, der be-
reits zum Facettband abgewandelte Laubstab
auf der Schwelle des Speichergeschosses
sowie die seitlich abgefasten, von schlicht
profilierten Knaggen getragenen Balken-
köpfe sind Hinweise, die eine Datierung um
1550 zulassen. Ein noch die Stilstufe der spä-
ten Gotik reflektierendes Eselsrückenprofil
im östlichen Eckgefach der Fassade ist als
Rest einer alten Türumrahmung zu interpre-
tieren und läßt vermuten, daß der Eingang ur-
sprünglich hier saß und die spätklassizisti-
sche, asymmetrisch geteilte heutige Ein-
gangstür erst um die Mitte des 19. Jh. an ihren
jetzigen Platz kam.
An ihrer platzartigen Erweiterung wird die Ae-
gidienstraße im Westen von der die Maßstäbe
der Nachbarbebauung zwar sprengenden,
aber mit beachtlichem gestalterischen Auf-
wand entworfenen Fassade eines Lagerhau-
ses dominiert. Das 1907 errichtete Gebäude
wird heute unter der Adresse Hinter Lieb-
frauen 2 geführt. Bauherr war der Allgemeine
Konsumverein, dessen Grundstück an der

Leopoldstraße (s. Leopoldstr. 6/7) nach der
Kanalisierung des westlichen Armes der hier
entlang fließenden Oker nach Osten vergrö-
ßert werden konnte. Der Bauplatz für das vo-
luminöse Gebäude wurde durch den Abbruch
mehrerer kleiner Häuser gewonnen, die bis
dahin auf einer „Othilientheil“ genannten
Landzunge zwischen zwei Okerarmen stan-
den. Der östliche dieser beiden Okerarme
wurde erst nach 1945 endgültig verrohrt, so
daß bis dahin das Lagerhaus von der Aegi-
dienstraße aus nur über eine schmale Brücke
zu erreichen warund damitdiestädtebauliche
Anbindung an die kleinteilige Bebauung der
Aegidienstraße lockerer und distanzierter ge-
wesen ist. Optisch wirksam war zur Zeit der
Erbauung, im Unterschied zur heutigen stadt-
räumlichen Situation ausschließlich die zur
Aegidienstraße gerichtete, 4 1/2-geschossige
Ostfront des auf quadratischem Grundriß er-
richteten massigen Baukörpers. Diese Seite
wurde zur Fassade ausgebildet und ist von
den Bauunternehmern Krause und Stege in
einem klassizistisch strengen und mit seiner
Linearornamentik an den Formen der Wiener
Sezession orientierten Jugendstil gestaltet
worden. Das z.Z. in Renovierung befindliche
Lagerhaus wurde im Kriege nur leicht be-
schädigt und wird heute als Werkstatt- und
Ateliergebäude genutzt.


Hinter Liebfrauen 2, 1907, Architekten Krause und Stege


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