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Betriebe, zur Einrichtung von Bank und Post
und zur Vergrößerung vorhandener Geschäfte
geführt. Dazu trug in starkem Maße die seit
1873 im Süden auf der Strecke Uelzen-Langwe-
del über den Haltepunkt in Frielingen (heute
Stadt Soltau) geführte Eisenbahn bei. Die jünge-
re, von Soltau direkt bis Neuenkirchen geführte
Strecke konnte trotz früherer Fertigstellung erst
nach dem Ersten Weltkrieg in Betrieb genom-
men werden und steht heute teilweise noch
dem Fremdenverkehr für Sonderfahrten zur
Verfügung.
Die vor allem im Laufe des 19.Jh. erbauten und
zunächst sicherlich eingeschossigen Fachwerk-
und Massivbauten im Ortskern bieten heute ein
fast durchgehend zweigeschossiges Straßen-
bild, das überwiegend durch nachträgliche Auf-
stockungen oder Ersatzbauten entstanden ist.
Der Bebauungscharakter dieser „Zweitbebau-
ung“ ist zumeist zusätzlich durch erweiterte La-
denflächen und maßstabssprengende Schau-
fenster zerstört worden. Die Nähe zu dem Na-
turschutzpark „Lüneburger Heide“ sowie die
günstigen klimatischen Bedingungen haben den
Ausbau Neuenkirchens zu einem anerkannten
Luftkurort begründet und den wirtschaftlichen
Aufschwung unterstützt.
Zu einer weiteren Verstädterung hat eine
umfangreiche Siedlungstätigkeit beigetragen,
die im Süden an den Ortskern anschloss und
die sich zumeist aus Zuwanderungen nach dem
Zweiten Weltkrieg speiste.
Eines der wenigen weitgehend unveränderten
Gebäude in der Ortsmitte ist das gegen Ende
des 19.Jh. westlich der Kirche entstandene
stattliche Hotel „Neuenkirchener Hof“, Haupt-
straße 27. Der 1899 nah am Straßenrand
erbaute, zweigeschossige unterkellerte Massiv-
bau unter Satteldach prägt den am dichtesten
bebauten Abschnitt durch seine traufständige, in
den gekrümmten Straßenraum vortretende La-
ge. Zahlreiche Zier- und Gliederungselemente,
wie Putzquaderungen an den Gebäudeecken,
eine Betonung der Geschosse durch umlaufen-
de Gesimsbänder sowie unterschiedliche Fen-
sterrahmungen und -verdachungen der sieben
Fensterachsen heben die Bedeutung des Ge-
bäudes hervor.
Das kleine Wohnhaus Lindenstraße 5 im orts-
kernnahen Bereich der Südausdehnung spiegelt
den gleichen Entstehungszeitraum wider. Es ist
in bürgerlichem, repräsentativen Stil im Jahre
1900 errichtet worden. Der eingeschossige,
hinter schmalem Vorgarten traufständig an die
Straße gestellte Rohziegelbau unter schlichtem
Satteldach wird von einer symmetrisch geglie-
derten Schaufassade gekennzeichnet. Diese
weist neben dem portalartig gestalteten, klassi-
zistischen Hauseingang mit doppelflügeliger
Haustür und Oberlicht eine Eckbetonung durch
Quaderputz auf.
Auf einem dreieckigen, parkartig angelegten und
von Wald- und Sportflächen umgebenen Grund-
stück südlich der Wohnflächen ist 1953/54 eine
Gedenkstätte eingerichtet worden, die an die
Kriegstoten des 19. und 20.Jh. erinnern soll
(Kreuzung Kabenstraße/Lohweg). Die Wege der
gegliederten Anlage werden von einer Reihe von
Findlingen gesäumt. Im Norden ist eine seg-

mentförmige Gedenkmauer vermutlich (wieder-)
aufgestellt worden. Ein älteres Ehrenmal in Form
eines in Sandstein gehauenen Obelisken auf
einem stufenförmigen Sockel erinnert an die
Kriege des 19.Jh. Es ist 1898 in der Mitte des
ehemaligen Marktplatzes aufgestellt worden und
wurde inzwischen von seinem ursprünglichen
Platz an den Rand des heutigen Verkehrsplatzes
versetzt (Hauptstraße).
Der heute über eine Allee mit Neuenkirchen ver-
bundene Siedlungsteil und ehemals selbststän-
dige Kirchspielort Hertel, der 1580 als „Heretlo“
erstmals erwähnt wurde, gehörte schon vor
1939 der Gemeinde Neuenkirchen an. Die Zahl
der ursprünglichen zwei Vollhöfe hat sich später
durch Teilung auf drei adlige „Höfner“ (1739)
erhöht. Noch heute besteht die Ortschaft aus
diesen drei aneinander gebauten Höfen. Ihre al-
ten, giebelständig aufgereihten Hofgebäude, die
zwar vielfach erhaltenen, aber in jüngerer Zeit
häufig verändert wurden, liegen vor einer ein-
drucksvollen Waldkulisse aufgereiht nördlich der
kleinen Kreisstraße.
Der frühere, sog. Gutshof im Osten ist in jünge-
rer Zeit in eine Klosteranlage umgewandelt wor-
den, Hertel 1. Im Blickpunkt seiner zehn (zu-
meist aus dem 20.Jh. stammenden) Gebäude
umfassenden Anlage steht die 1906/08 erbaute,
prächtige Gründerzeitvilla, die anstelle eines
ehemaligen Wohnwirtschaftsgebäudes trauf-
ständig hinter Rasenflächen zurückgesetzt liegt.
Sie nimmt den westlichen Teil des nach Osten
erweiterten und parzellierten Geländes der lang-
jährig ungeteilten östlichen Hofstelle ein. Der in
späthistoristischem Stil reich dekorierte, ver-
putzte Massivbau, der in der Art der Gutshäuser
des 18.Jh. auf symmetrischem Grundriss unter
ausladendem Walmdach mit einer Gliederung
durch Mittelrisalite aufgebaut wurde, ist bis
heute nur in einigen Bereichen der segmentbo-
gigen Fenster/Türen leicht verändert worden.
Eine horizontale Gliederung des zweigeschossi-
gen Baukörpers wird durch den hohen verputz-
ten Sockel, durch Fachwerkzierungen sowie
durch umlaufende Gesimsbänder erreicht. Diese
herrschaftliche Darstellung des Gebäudes zu-
sammen mit den zusätzlich an den Baukörper
angefügten Sonderbauteilen, wie der über dem
Obergeschoss über Eck gestellte Turm mit
historisierendem Fachwerkaufsatz unter Glo-
ckendach und die rückseitige, fein gearbeitete
hölzerne Eingangsveranda, dokumentiert den
allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung der
Zeit um 1900 auch in dieser ausschließlich länd-
lichen Region.
Das östlich anschließende Wohnwirtschaftsge-
bäude ist ein in der 2. Hälfte des 19.Jh. errichte-
tes Vierständer-Hallenhaus unter Krüppelwalm-
dach. Ein neues Fenster-Türelement verschließt
die mittige Toreinfahrt für die dahinter liegenden
Wohnräume. Charakteristisch sind das schlichte
und durch gefachhohe Streben streng geglie-
derte Gerüst mit rückseitigem Eingangsvorbau
sowie teilweise erhaltene zeitgenössische
Flügelfenster.
NEUENKIRCHEN-BEHNINGEN

Der nur ca. drei Kilometer südlich von Neuenkir-
chen gelegene Ortsteil Behningen beschreibt die

südliche, an Soltau stoßende Grenze und Teile
der westlichen Gemeindegrenze, die in Richtung
Visselhövede in den Landkreis Verden vorge-
schoben ist.
Obwohl Behningen über die alte Trasse der K
18 direkt an den Ortsmittelpunkt von Neuenkir-
chen angebunden ist und ebenfalls indirekt über
die nördlich verlaufende L 171, wirkt der Ortsteil
recht abgelegen. Von hier aus führen nur noch
kleine Erschließungsstraßen in verschiedene
Richtungen und enden zumeist an der seit der
2. Hälfte des 19.Jh. bestehenden südlichen Ei-
senbahntrasse von Uelzen nach Langwedel.
Die um 1200 in Tauschurkunden als „Westerbe-
ninge“ erwähnte Siedlung soll 1567 schon
sechs Feuerstellen besessen haben und angeb-
lich vor den Verwüstungen im Dreißigjährigen
Krieg sogar 13 Höfe. Sie ist auf dem erhöhten
Kamm am Nordwestrand des weiten Bomlitzta-
les entstanden. Noch bis um 1900 lagen die
erhöhten, ausgedehnten Ackerflächen im west-
lichen Rücken des Ortes und die flacheren,
weiten Heideflächen der Rienheide reichten bis
an den östlichen Ortsrand heran und bildeten
lange Zeit die Grundlage für die bis heute
ausgeübte Landwirtschaft.
Wahrscheinlich hat sich aufgrund dieser abge-
schiedenen Lage die historische Siedlungsstruk-
tur der sechs aneinander gereihten Stammhöfe
(ursprünglich fünf Vollhöfe und ein Kötner) un-
verändert erhalten können. Ihre weitläufigen,
unregelmäßigen Parzellen liegen haufendorfartig
zwischen zwei sich kreuzenden historischen
Wegeführungen nebeneinander. Lediglich einige
Neusiedlerstellen haben etwa seit der Gemein-
heitsteilung und Verkopplung (1855-57) in den
Zwischenbereichen der Höfe gesiedelt. Zusätz-
lich sind in jüngerer Zeit wenige Wohnbauten
auch außerhalb der historischen Siedlungsfläche
jenseits der Straßen entstanden. Die von altem
Laubwald stark durchgrünte, locker bebaute
Siedlung ist dadurch nur wenig beeinträchtigt
worden und fügt sich aufgrund der ebenfalls
begrünten Ortsränder vorzüglich in die überwie-
gend landwirtschaftlich genutzten Flächen ein.
Der Dorfcharakter ist trotz der nutzungsbeding-
ten Veränderungen oder Erneuerungen sämt-
licher Hauptgebäude (vielfach Zweiständer-Hal-
lenhäuser z.T. im Kern 17.Jh. mit massiven
Wandteilen) erhalten geblieben. Dazu tragen die
stattlichen Hofeichen und die allenthalben erhal-
tene Feldsteinpflasterung der langen Hofzufahr-
ten und Hofplätze bei. Die Einfriedungen der
Höfe durch Feldstein-Erdwälle bzw. Trocken-
mauern sind bis auf einige Reste abgetragen
worden.
Am Rand des sog. „Brüggemannhofs“, Behnin-
gen 3, ist für die Gefallenen beider Weltkriege
ein Ehrenmal aufgestellt worden.
Noch vor einiger Zeit sind in Behningen eine
Reihe der wohl seit dem 17.Jh. auf allen Hof-
stellen vorhandenen Brunnen zu finden gewe-
sen, die wahrscheinlich eine Wasserentnahme
aus den ebenfalls auf den Höfen noch vorhan-
denen kleinen Regenwasser-(Lösch)Teichen er-
setzt hatten. Sie unterscheiden sich von den
vielfach im Altkreisgebiet von Fallingbostel vor-
kommenden runden, aus segmentförmigen
Sandsteinblöcken zusammengesetzten Brun-

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