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Kirchen und Kapellen

Aus romanischer Zeit hat sich lediglich ein Raumabschnitt in der Kirche in Niko-
lausberg erhalten. Die Kirchen der Innenstadt - unter denen sich eine veränderte,
umgenutzte Klosterkirche findet - entstanden wie der Chor und das Schiff der
Wallfahrtskirche in Nikolausberg im 14. und 15. Jh. als geostete vergleichsweise
schlichte, dreischiffige Hallen mit eingezogenem, polygonalem Chor und platt
geschlossenen Seitenschiffen. Die Kreuzrippengewölbe ruhen auf achtseitigen
Pfeilern, die - bis auf jene kämpferlosen in der Albanikirche - profilierte oder mit
Blattwerk verzierte Kämpfer besitzen. Die Albanikirche als „jüngste” der gotischen
Göttinger Kirchen hat als Besonderheit im südlichen Seitenschiff ein spätgoti-
sches Netzgewölbe. Das Mauerwerk aller dieser Bauten besteht aus Kalkbruch-
steinen mit Sandsteingliedern oder seltener aus Sandsteinquadern. Die Johannis-
und die Nikolaikirche hatten eine Zweiturmfassade, die letztere ging im 18. Jh. ver-
loren; dagegen stattete man die Jakobi- und die Albanikirche mit einereintürmigen
Westfassade aus. Der jeweiligen Zeit entsprechend bedienten sich die Baumeister
des gotischen Formenrepertoirs, das z. B. zunächst westfälische (Johanniskirche)
und später Prager (Jakobikirche) Einflüsse vermuten läßt.
In den eingemeindeten Dörfern standen zunächst auch gotische Kapellen oder
kleine Kirchen, von denen in den meisten Fällen derVWstturm erhalten blieb. Diese
Türme erheben sich auf quadratischem Grundriß und haben aufgrund ihrer unge-
gliederten Form ein wehrhaftes Aussehen. In der Mitte des 18. Jh. ersetzte man -
häufig wohl unter Einbeziehung älterer Reste - die jeweils dazugehörigen Schiffe
durch sparsam gegliederte barocke, meist geostete Rechtecksäle, die im Osten
manchmal einen kleinen Sakristeianbau besitzen (Weende, Grone). Lediglich in
Geismar erfolgte ein vollständiger Kirchenneubau auf einem für die Kunstland-
schaft ungewöhnlichen Grundriß in Form des griechischen Kreuzes.
Etwa gleichzeitig baute man in der Innenstadt zwei einfache barocke Saalkirchen
für die katholischen und reformierten Christen. Im 19. Jh. konzentrierte man sich
vor allem auf die Neugestaltung der kirchlichen Innenräume. Erst um die Jahrhun-
dertwende entstanden auf einigen Friedhöfen Kapellen (z. B. Weende, Göttingen)
und 1928 als letzter großer Kirchenbau vor dem Zweiten Weltkrieg die Paulskirche
im Göttinger Ostviertel.
Öffentliche Gebäude
Von den öffentlichen Gebäuden aus derzeit vordem 18. Jh. blieb nur das Rathaus
erhalten. Erst mit der Universitätsgründung stellten sich neue Bauaufgaben des
Staates. Von den wenigen im 18. Jh. im Zusammenhang mit der Universitätsgrün-
dung errichteten Gebäuden sind nur ein paar Exemplare bewahrt worden (Hospi-
talstraße 10, Wilhelmsplatz 4), die vor allem durch ihren bürgerlichen Habitus auf-
fallen. Allerdings bildete diese vergleichsweise bescheidene Architektur nicht die
Norm: Das „Accouchirhaus” (Kurze Geismar Straße 40) - einepalaisähnliche Klinik
- hebt sich durch Material und architektonisch anspruchsvolle Gestaltung aus den
benachbarten Wohnbauten heraus. Ähnliches galt für den verlorenen Reitstall.
Im 19. Jh. vervielfältigten sich die öffentlichen Bauaufgaben: Neben den repräsen-
tativen Universitätsgebäuden wie Sternwarte (Geismar Landstraße 11), Aula (Wil-
helmsplatz 1) und Ernst-August-Klinik (Geiststraße 9) entstanden Gebäude der
Justiz und Verwaltung (Justizkanzlei, Wilhelmsplatz 2; Amtsgebäude, Waageplatz
7; Amtsgericht, Waageplatz 7), des Militärs (Kaserne, Geismar Landstraße 2) und
des Verkehrs (Bahnhof, Berliner Straße). Nach der Jahrhundertmitte baute man in
rascher Folge Universitätsinstitute (Auditorium Maximum, Weender Landstraße 2;
Naturhistorisches Institut, Berliner Straße; Landwirtschaftliches Institut, Nikolaus-
berger Weg 7 ff, Universitätsbibliothek, Prinzenstraße 1), Schulen (Albaniplatz,
Nikolaistraße/Bürgerstraße, Theaterplatz), das Theater (Theaterplatz). Diese Bau-
werke stehen häufig auf dem Gelände der ehemaligen Befestigung. Als Singulär-
bauten geplant beherrschen sie durch ihre Größe, ihre anspruchsvolle vom Rund-
bogenstil beeinflußte oder spätklassizistisch/renaissancistische Architektur und
das häufig teure Material (Naturstein) die Umgebung. In ihnen artikuliert sich das
Repräsentationsbedürfnis des Staates und der aufstrebenden Stadt Göttingen.
Eine besondere Aufgabe stellte der Klinikbau dar: Weit außerhalb der Stadt ent-
stand der Komplex der „Irrenanstalt” (Rosdorfer Weg 70) und dichter am Universi-
tätsgeschehen das „Klinikzentrum” zwischen Goßler- und Humboldtstraße, das
weitere Krankenhäuser in diesen Bereich zog. Zu dieser Zeit orientierte sich die
Universität bereits aus der engen Innenstadt in die Erweiterungsgebiete - eine Ent-
wicklung, die sich heute fast vollständig vollzogen hat.

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