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Rüttgerodt-Riechmann, Ilse [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,1): Landkreis Göttingen: Stadt Göttingen — Braunschweig, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.44170#0126
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historischen Weges Opferbach, dem beide
die Giebelseite zuwenden, prägt. Traufstän-
dig zum Kirchplatz liegt der westlich fol-
gende Streckhof aus dem frühen 19. Jh., den
Wirtschaftsbauten aus dem 20. Jh. haken-
förmig erweitern (Roringer Winkel 7). Diese
Bauten bilden die charakteristische dörf-
liche Umgebung fürdie kleine Martinskirche.
Sie steht etwas erhöht auf dem von einer
alten Bruchsteinmauer eingefriedeten
Kirchhof zwischen Bäumen, die sie nur
knapp überragt. Überden im 13. Jh. erwähn-
ten Bau weiß man nichts. Der ungegliederte
Westturm mit Pyramiddach läßt ein höheres
Alter vermuten, ist jedoch in seinem oberen
Teil stark verändert. An ihn baute man kurz
vor 1747 (Datierung über der Tür) das heu-
tige Schiff als rechteckigen Saal an. Als
Material für beide Teile verwendete man
gebrochenen Tuffstein. Sandsteinquader
fassen die rundbogigen Fenster des Schif-
fes ein. Die Eingangstür auf der Südseite
besitzt eine barocke, profilierte Sandstein-
rahmung mit Ohren, gesimsförmiger Ver-
dachung, friesähnlich eingepaßter Inschrif-
tenplatte und in den Portalaufbau oberlicht¬

artig integriert ein Fenster. Ein fast gleichar-
tiges Portal findet man an der zwei Jahre jün-
geren Kirche in Holtensen.
Westlich unterhalb dieses Bereiches setzt
die Lange Straße zu einer Südkurve an, wo
die ansteigende Schmiedestraße nach
Nordwesten abzweigt. Hier dokumentieren
vier Hofstellen die Qualität bäuerlicher
Architektur in einer städtebaulich interes-
santen, den mittleren Abschnitt der Lange
Straße prägenden Gruppe. Der vermutlich
älteste Streckhof im Dorf mit einem unter
Putz und Behang versteckten, vorkragen-
den Fachwerkgerüst (Lange Straße 15,
18. Jh.) steht ähnlich wie der benachbarte,
aus einem Wohnhaus des frühen 19. Jh. ent-
wickelte große Hakenhof (Lange Straße 11)
auf einem imponierenden Sockel giebel-
ständig oberhalb der Straße. Diese führt auf
die Traufseite des Hofes Schmiedestraße 1,
erbaut um 1800 und später erweitert, zu. Auf
der gegenüberliegenden Straßenseite
beschließt das jüngste, etwa 1890 errichtete
Wohnhaus (Lange Straße 10) dieses
Ensemble oder leitet es zusammen mit
Schmiedestraße 1 in der Gegenrichtung ein.


Roringen, Lange Straße 11, Schmiedestraße 1

Roringen. Lange Straße 10, spätes 19. Jh.


Weende, Grisebachstraße, Versuchsgut, ca. 1935


Weende, Grisebachstraße, Versuchsgut, ca. 1935


GÖTTINGEN-WEENDE

Weende ist vor allem im Laufe des 20. Jh.
durch die Industrieansiedlungen westlich
der B 3, durch das Mischgebiet mit z. T. aus-
gedehnten Wohnsiedlungen östlich der B 3
und durch die aus der Stadt nach Norden
bzw. Nordosten verlagerten Universitätsin-
stitute eng mit den nördlichen Stadtgebie-
ten verwachsen. Weitere Wohnsiedlungen
finden sich im Norden und Osten des Orts-
teils. Die vor allem im 20. Jh. vorgenommene
Industrieansiedlung bereitete sich in diesem
Bereich - ähnlich wie in Grone (vgl. Die west-
lichen Stadtgebiete) - im Zeitalter des Mer-
kantilismus vor. Im mittleren 18. Jh. wandelte
der Göttinger Manufakturbesitzer Scharff
(vgl. Innenstadt, Papendiek17) eine westlich
des Klosterguts gelegene Walkemühle in
eine „Tuchfabrique” um. Scharff mußte
wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten die
Mühle 1773 verkaufen. Sie diente danach u.
a. als Walke- und Ölmühle, als Puder- und
Tabakfabrik, bis Eberwein sie 1822 wieder
zur Tuchherstellung nutzte. Daraus entwik-
kelte sich das noch heute bestehende Indu-
strieunternehmen. Die Mühle ist allerdings
verschwunden. Im 19. Jh. übernahm Eber-
wein die östlich benachbarte alte Kloster-
mühle, verkaufte sie aber bereits 1873 an
Rübe, der daraus eine Pergamentfabrik
machte. Dieses Unternehmen existiert, die
Mühlengebäude gingen allerdings auch ver-
loren. Eine dritte Mühle an der Weende-
quelle (Springmühle), die im 18. Jh. zur
Papierfabrik umgerüstet wurde, stellte den
Betrieb bald ein. Sie bildete mit ihrer Gast-
wirtschaft lange Zeit ein Ausflugsziel für die
Göttinger Bevölkerung; 1772 gründete man
hier den Hainbund. Später befand sich auf
dem Gelände eine Brauerei, die ebenso wie
die Mühle abgerissen ist.
Sowohl von der Stadt als auch von Weende
aus begann im späten 19./frühen 20. Jh. die
Bebauung der Ostseite der B 3 mit Wohn-
häusern. Kurz vor1900 legte man die heutige
B 27 (An der Lutter) an, die entlang der
begradigten Lutter bis zur Knochenmühle
(Herberhausen) führt und dort auf die histo-
rische Herzberger Landstraße (vgl. Die östli-
chen Stadtgebiete) trifft. Zwischen dieser
neuen Straße und der Hennebergstraße
(alte Straße „Hinter dem Dorfe”) richtete
man gleichzeitig in Verlängerung der inner-
dörflichen Straßen Verbindungswege ein,
die langsam mit Wohnhäusern bebaut wur-
den; heute dehnt sich dieses Wohngebiet
bis an den östlich verlaufenden stadtauto-
bahnähnlichen „Universitätszubringer”. In
dem älteren Bereich hat sich am Eichweg 10
ein Wohnhaus aus den ersten Jahren der
Besiedlung in originalem Zustand erhalten.
Es ist ein Fachwerkbau auf Naturstein-
sockel, wie erähnlich in Göttingen im späten
19. Jh. errichtet sein könnte. Erdokumentiert
die Übernahme kleinstädtischer Wohnfor-
men in Weende.
Die aktuelle Ansiedlung von Universitätsin-
stituten in der Weender Feldmark geht
ebenfalls auf eine längere Entwicklung
zurück. Das Klostergut diente 1857-1874
als landwirtschaftliche Versuchsanstalt, bis

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