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BOVENDEN

Bovenden liegt in einer breiten Talsenke der
oberen Leine auf einer nur mäßig ansteigenden
Bodenwelle, die sich von Ost nach West in das
Leinetal vorschiebt. Östlich des Altdorfes bzw.
der B 3 dehnen sich weitreichende Neubauge-
biete an Lohberg und Junkerberg aus, an die
sich die bewaldeten Hänge des Pleßforstes an-
schließen. Die Weende, die einst den unteren
Teil des Altdorfes durchfloß, ist durch die Flur-
bereinigung verlegt worden und bildet heute
den natürlichen Westrand des Dorfes. Im Nor-
den findet die Bovender Gemarkung am Rau-
schenwasser ihr Ende.
Die günstige Lage am Schnittpunkt zweier be-
deutender Straßen war für die Ortsentwicklung
Bovendens von großer Wichtigkeit. Der etwa
100 m östlich der heutigen B 3 verlaufende Hel-
leweg war einst eine wichtige Heerstraße, die
von Norden kommend, am Plackkrug vorbei,
über den Weender-Berg nach Göttingen führte.
Von ihr zweigt die West-Ost-Straße ab, die den
südlichen Bereich des Altdorfes tangiert und
über die Breite Straße in Richtung Lenglern
verläuft.

Erstmalig in einer Königsurkunde von 949,
die anläßlich eines Gütertausches zwischen
Otto I. und dem Reichsstift Hersfeld aufgestellt
wurde, als „Bobentun” erwähnt, tritt 1170 die
Grundherrenfamilie von Boventen ins Licht der
Geschichte. Sie trug wesentlich zur Entwick-
lung des Ortes bei und wird 1211 als Eigenkir-
chenherr und Patron der Kapelle urkundlich ge-
nannt.
Ihr Besitz lag vermutlich auf den Parzellen Im
Bache 28, 30, 32, die noch heute den ge-
bräuchlichen Flurnamen Auf der Burg tragen.
Ein noch vorhandener Gewölbekeller (Im Ba-
che 32) läßt auf Reste einer „Burg” schließen,
die wohl ursprünglich ein befestigtes Haus,
eine Kemenate, war. In enger Nachbarschaft
zu dem Besitz der Herren von Boventen gab
es ausgedehnte Ländereien der Herzöge von
Braunschweig, die sich nordwestlich des Ties
und der Kirche erstreckten. Zum Schutz ihrer
Güter legten sie am Nordwestrand des Dorfes
eine Burg an, die 1346 erstmalig erwähnt wurde
und in den Urkunden „dat slot to Bouenten”
genannt wird. Reste dieser Burganlage haben
sich auf dem Grundstück Burgstraße 10 erhal-
ten. Die noch aus der Zeit des alten Mushauses

stammende Feldsteinmauer wurde in das 1663
errichtete Pächterhaus des Braunschweiger
Hofes eingebunden.
Als dritter Herrschaftsbereich kam der Besitz
der Herren von Plesse hinzu, die die Vorherr-
schaft derer von Boventen ablöste. Ausgehend
vom südlichen Bereich dehnten sie sich all-
mählich über den gesamten Ort aus. Sichtbare
Zeichen ihrer Einflußnahme sind die planmä-
ßige Anlage der Straßenzüge: Breite Straße, Im
Bache und Untere Straße, die Errichtung des
Teichhofes mit der Oberen Mühle und vermut-
lich der Bau der Martinikirche.
Große Teile Bovendens brannten 1540 nieder,
und auch im Dreißijährigen Krieg wurden erneut
zahlreiche Gebäude zerstört. Kurz nach 1700
war die Zeit der Erneuerung und des Wieder-
aufbaus des um 1600 Markt- und Braurecht
erhaltenden Ortes fast vollständig abgeschlos-
sen. Das genaue Jahr des vermutlich um 1600
zum Flecken erhobenen Bovenden ist urkund-
lich nicht gesichert.
Der Lageplan („Abriß des Dorfes Bovenden”)
des ausgehenden 16. Jh. gibt in groben, sche-
matischen Zügen die Ortsstruktur wieder. Ein-
gezeichnet sind der Feldtorweg und die Breite
Straße mit dem Feldtor und dem Ostertor sowie
das auf der Einmündung Breite StraßeA/or dem
Tore liegende Brückentor, die die drei Ortszu-
fahrten darstellen, die bis zum Ende des 18. Jh.
bestanden. Heute markieren die zwischen Göt-
tinger Straße und Bahnlinie liegenden Hofanla-
gen Göttinger Straße 36 bzw. 38/40, ebenso
die Allee am westlichen Ortsausgang Vor dem
Tore die historische Situation, wie sie gesichert
im 16. Jh. nachweisbar ist.
Die erstmals zuverlässig den Dorfgrundriß wie-
dergebende „Charte des Fleckens Bovenden”
von 1816 zeigt im Vergleich mit der heutigen
Ortsstruktur nur unbedeutende, geringfügige
Veränderungen. Mitte des 19. Jh. machte der
Eisenbahnbau am östlichen Ortsrand einen
Geländeeinschnitt erforderlich, so daß von nun
an zwei Brücken die Verbindung zum Altdorf
herstellten. Nachdem die Bahnlinie Göttingen-
-Einbeck-Hannover 1854 eingerichtet wurde,
entstand als Nachfolgebau der ersten Bahnsta-
tion 1876 der heutige Bahnhof.
Den Beginn der großflächigen Ortserweiterung
an Lohberg und Junkerberg stellt der Feldtor-
weg dar, der ursprünglich nach Eddigehausen
und zur Plesse führte und in den zwanziger
Jahren dieses Jahrhunderts aufgesiedelt
wurde.
Der alte Ortskern mit seinen engen, gekrümm-
ten Straßen und Gassen und seiner dicht zu-
sammengerückten kleinteiligen Fachwerkar-
chitektur bietet noch ganz das Bild eines typi-
schen Haufendorfes. Die Straßen Auf dem Tie,
Zehntenstraße, Im Bache bzw. Breite Straße
bilden das Gerüst des Ortskerns, das durch
zwei nach Westen sich ausdehnende annä-
hernd ringförmig angelegte Siedlungsbereiche
erweitert wurde. An den Straßengabelungen
entstanden platzartige Erweiterungen, die dem
Ortsbild Bovendens das charakteristische Ge-
präge geben. Vor allem der Tieplatz, mit seiner
prächtigen Randbebauung (ehemaliges hessi-
sches Jagdschloß/Amtshaus, Schule, Fach-
werkbauten) bildet noch heute das Zentrum
des Ortes.

Bovenden, Gesamtansicht des Tieplatzes


Bovenden, Burgstraße 12, Feldsteinmauer


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