Inschrift erweist, für eine Arbeit Dürers gehalten. Für den ist sie zu sehr
Erscheinungsbild, zu wenig grüblerische Seelenstudie. Das Museo Correr hat
noch eine andere Rarität für die Freunde von Hollands Hauptmeister zur Zeit
der Hochrenaissance. In einem Bande der Kupferstichsammlung, der nach einer
freundlichst seinerzeit durch den verewigten Herrn Dr. Gustav Ludwig ein-
gezogenen Erkundigung aus dem Besitze der Gräfin Giustina Martinengo del
Barco stammt, „Scuole Oltramontane, Luca d’Olanda, Giorgio Pencz” fand ich
auf Blatt 34 unter No. 55 einen Ornamentstich, der zwar das bekannte „L”
des Stechers nicht trägt, aber wohl zweifellos mit dem 1618 im Verzeichniss des
Paul Behaim 6) erwähnten, bisher noch nicht wieder ermittelten Blatte „Zwei Kin-
der schlagen auf einen dürren Rosskopf” identisch ist (Tafel XXXV). Das
Blatt ist wohl ein früherer, vom Künstler nur in wenigen Exemplaren abge-
zogener Versuch zu einer Reihe ähnlicher, bei Bartsch beschriebener Füllungen,
die meist das Datum 1527 oder 1528 tragen. Hier ist schon all die Erfindungs-
fülle, die die dauernde Beliebtheit von Lucas’ bekannteren Ornamentstichen —
benutzte doch noch Hans Makart in dem Wandschirm seines Gemäldes „Der
Sommer” in der Dresdener Galerie die Blätter B. 162 und B. 164 — recht-
fertigt. Die starken wappenhaltenden Weiber, die den üppigen Rhythmus ihres
Leibes in kühnen, nicht ganz geglückten, Stellungen zeigen, wachsen aus dicken
krautigen Ranken heraus, deren Blütenkelch lebende Pferdeköpfe birgt. Zwei
mutige Knaben sind es, die die Frauen auf ihren Schultern tragen, ungeberdig
schlagen sie mit den Kinnladeknochen eines toten Tieres auf den starrenden
klappernden Rossschädel — ein fröhlicher Totentanz. Aber das ernste Knochen-
werk ist bekränzt, und eine triumphirende Pflanze steigt kerzengrade aus ihm
empor, mit zwei kräftigen Schoten, die die Hülse sprengen wollen.
Die freie lebensvolle Bewegtheit, die wir aus den Stichen des Lucas van
Leyden aus seiner Mittelzeit — wir denken aus naheliegenden Gründen be-
sonders an das grosse Kreuzigungspanorama von 1517 — bewundern, finden
wir in einem etwa einen halben Meter hohen, nicht sehr sorgfältig, aber mit
sicherem Schwünge und überraschend „modern” gemalten Kreuzigungsbild, das
sich im Museo Civico in Verona unter dem Namen „Copia da Luca Leyden”
(wo sich das „Original” aufhält, habe ich nie erfahren können) befindet (Tafel
XXXVI). Obgleich das Bild unten das bekannte „L” aufweist, wird man es
bei der Leichtfertigkeit, mit der die Arme der Gekreuzigten hingewischt sind,
unmöglich dem Meister selbst geben können. Den Eindruck einer Copie macht
es bei der Frische, mit der alles gesehen ist, auch nicht. Die angespannte
Mühe der beiden Kämpfenden, deren Gestalten übrigens ganz den bekannten
Pöbeltypen des Engebrechtszoon entsprechen, das furchtbar hingenommene, keine
(6) Vgl. J. E. Wessely, Das Manuscript von P. Behaims Kupferstichkatalog im Berliner Museum.
Repertorium für Kunstwissenschaft VI, (1883), S. 54 ff.
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Erscheinungsbild, zu wenig grüblerische Seelenstudie. Das Museo Correr hat
noch eine andere Rarität für die Freunde von Hollands Hauptmeister zur Zeit
der Hochrenaissance. In einem Bande der Kupferstichsammlung, der nach einer
freundlichst seinerzeit durch den verewigten Herrn Dr. Gustav Ludwig ein-
gezogenen Erkundigung aus dem Besitze der Gräfin Giustina Martinengo del
Barco stammt, „Scuole Oltramontane, Luca d’Olanda, Giorgio Pencz” fand ich
auf Blatt 34 unter No. 55 einen Ornamentstich, der zwar das bekannte „L”
des Stechers nicht trägt, aber wohl zweifellos mit dem 1618 im Verzeichniss des
Paul Behaim 6) erwähnten, bisher noch nicht wieder ermittelten Blatte „Zwei Kin-
der schlagen auf einen dürren Rosskopf” identisch ist (Tafel XXXV). Das
Blatt ist wohl ein früherer, vom Künstler nur in wenigen Exemplaren abge-
zogener Versuch zu einer Reihe ähnlicher, bei Bartsch beschriebener Füllungen,
die meist das Datum 1527 oder 1528 tragen. Hier ist schon all die Erfindungs-
fülle, die die dauernde Beliebtheit von Lucas’ bekannteren Ornamentstichen —
benutzte doch noch Hans Makart in dem Wandschirm seines Gemäldes „Der
Sommer” in der Dresdener Galerie die Blätter B. 162 und B. 164 — recht-
fertigt. Die starken wappenhaltenden Weiber, die den üppigen Rhythmus ihres
Leibes in kühnen, nicht ganz geglückten, Stellungen zeigen, wachsen aus dicken
krautigen Ranken heraus, deren Blütenkelch lebende Pferdeköpfe birgt. Zwei
mutige Knaben sind es, die die Frauen auf ihren Schultern tragen, ungeberdig
schlagen sie mit den Kinnladeknochen eines toten Tieres auf den starrenden
klappernden Rossschädel — ein fröhlicher Totentanz. Aber das ernste Knochen-
werk ist bekränzt, und eine triumphirende Pflanze steigt kerzengrade aus ihm
empor, mit zwei kräftigen Schoten, die die Hülse sprengen wollen.
Die freie lebensvolle Bewegtheit, die wir aus den Stichen des Lucas van
Leyden aus seiner Mittelzeit — wir denken aus naheliegenden Gründen be-
sonders an das grosse Kreuzigungspanorama von 1517 — bewundern, finden
wir in einem etwa einen halben Meter hohen, nicht sehr sorgfältig, aber mit
sicherem Schwünge und überraschend „modern” gemalten Kreuzigungsbild, das
sich im Museo Civico in Verona unter dem Namen „Copia da Luca Leyden”
(wo sich das „Original” aufhält, habe ich nie erfahren können) befindet (Tafel
XXXVI). Obgleich das Bild unten das bekannte „L” aufweist, wird man es
bei der Leichtfertigkeit, mit der die Arme der Gekreuzigten hingewischt sind,
unmöglich dem Meister selbst geben können. Den Eindruck einer Copie macht
es bei der Frische, mit der alles gesehen ist, auch nicht. Die angespannte
Mühe der beiden Kämpfenden, deren Gestalten übrigens ganz den bekannten
Pöbeltypen des Engebrechtszoon entsprechen, das furchtbar hingenommene, keine
(6) Vgl. J. E. Wessely, Das Manuscript von P. Behaims Kupferstichkatalog im Berliner Museum.
Repertorium für Kunstwissenschaft VI, (1883), S. 54 ff.
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