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Dümichen, Johannes [Hrsg.]
Altägyptische Tempelinschriften: in den Jahren 1863 - 1865 an Ort und Stelle gesammelt (Band 1): Weihinschriften aus dem Horustempel von Edfu (Apollinopolis Magna) — Leipzig, 1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.3473#0003
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W ie in immer neuen Gestaltungen auf dem vom Winde bewegten Wasserspiegel sich Welle auf Welle
bildet, wie da, vor seinem Hauche dahin treibend, immer eine Welle die andere verschlingt oder an den Strand
geworfen, dort sich bricht und vergeht, wie da immer eine der anderen folgt und die gehende der kommenden
weichen muss, so verdrängt im Tumulte der in ewigem Wechsel begriffenen Welt unaufhaltsam eine Gestalt die
andere. In unerschöpflich neuen Formen ziehen tausenderlei Bilder, bald in heiteren, bald in düsteren Farben-
tönen, in dem grossen Panorama des Lebens an unserer Seele vorüber; wir sehen ihre bunten Erscheinungen,
wir bewundern sie und freuen uns an ihnen, wir belachen, beweinen und — vergessen sie. Nicht alle, aber
weitaus die meisten fallen der mächtigen Herrin Zeit zum Raube, tauchen allmälig unter in dem grossen weiten
Meere der Vergessenheit. Aber ob auch sie, die alles bringende, so manche ihrer Gaben wieder hinwegnimmt,
ob auch sie so manches schöne Geschenk uns wieder entzieht, sie geht dennoch nimmer leer an uns vor-
über, sondern lässt zurück, was weder Menschen noch Schicksal uns rauben können; täglich
macht sie uns reicher, zwar nicht immer an äusserem Glück, wohl aber an höherem inneren
Gewinn.

Es giebt eine, wenn auch kleine Zahl von Erinnerungen, welche durch nichts verdrängt, durch Niemanden
uns geraubt werden, welche mit unauslöschlichen Zügen in unsere Brust sich graben, welche, so zu sagen, in
dem Allerheiligsten des Herzens eine unantastbare, bleibende Stätte finden. Erfreuend und labend, erquickend
und tröstend begleiten sie uns auf unserer ganzen Lebensbahn und ob auch zuweilen scheinbar vergessen, immer
wieder drängen sie sich, und am mächtigsten in irgend einer Stunde der Freude oder des Schmerzes, mit All-
gewalt in den Vordergrund unserer Seele, immer wieder kehrt der Geist auf seinem Fluge so oft und gern zu
ihnen zurück, um dort, wie auf einer lieblichen Insel, ausruhend sich niederzulassen.

Wie dies gilt im Allgemeinen in Bezug auf des Menschen grosse Wanderung von der Wiege zum Grabe,
so auch in Bezug auf die einzelnen, grösseren oder kleineren Stationen dieser Reise und gilt denn auch in Bezug
auf diejenige Episode meines Lebens, welche durch meine Afrikanische Reise ausgefüllt wird. Wohl darf ich es
sagen, dass ich viel gesehen und erlebt auf dieser so manches Mal gar wunderlichen Reise, auf der Freud und
Leid, Zauber und Schrecken gleichermassen an mich herangetreten. Das Land der Struthophagen und Elephanto-
phagen an den Ufern des Astapus, das Reich der Königin Candake und die grasreicheu Steppen der Hylophagen
und Spermatophagen am Astaboras, die weiten felsigen Wüsten der wilden Blemyer und Aegyptens blühende
Thäler und vor allen jene grossartigen Meisterwerke der Baukunst aus einer in weiter Ferne hinter uns liegenden
Zeit und was ihre in Stein gehauenen Bildwerke und Inschriften dem wandernden Forscher erzählen, alles das
hat mir eine reiche und schöne Auswahl von Reisebildern eingetragen. Wohl ist es manchem derselben bereits
ergangen wie den vorerwähnten Wasserwogen, manches aber auch gehört zu der Zahl derer, von denen ich
sagte, dass sie nimmer von uns weichen.

An eins der schönsten unter ihnen, welches in frischen Farben vor meinem rückwärts blickenden Geiste
steht, aufs lebhafteste heute gedenkend, wollen Sie, hochgeehrtester Herr Vicomte, nun mir die Bitte gewähren,
dass ich, in froher Erinnerung an dasselbe, den Namen Emmanuel de Rouge als werthvollsten Schmuck den
folgenden Blättern voransetzen darf. Gütigst wollen Sie mir gestatten, auf diese Weise den Gefühlen frühester
Erinnerung und höchster Dankbarkeit, welche mir von Ihrem Namen unzertrennlich erscheinen, einen öffentlichen
Ausdruck zu verleihen. Wenn ich bei der Ausführung dieses Wunsches die bescheidene äussere Form zu beklagen
gehabt habe, in welcher ich die Tempelinschriften Edfu's, von meiner wenig kunstgeübten Hand autographirt,
Ihrem Kennerauge vorzulegen wage, so darf ich von Ihrer Gerechtigkeit gewiss um so mildere Beurtheilung
 
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