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Duhn, Friedrich; Karl Friedrich [Gefeierte Pers.]
Ein Rückblick auf die Gräberforschung: akademische Rede zur Erinnerung an den zweiten Gründer der Universität Karl Friedrich Grossherzog von Baden am 22. November 1911 bei dem Vortrag des Jahresberichts und der Verkündung der akademischen Preise — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.42079#0030
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auch dort ihres Besitzes erfreuen können. Mächtige Kuppelräume für stimmungsvolle
Begräbnis- und Erinnerungsfeiern erheben sich in Kreta und Mykene über den reich
bestatteten Toten, während die misera Plebs mit bescheidener Ausstattung in kleiner
Felshöhlung oder engem, aus Steinen zusammengesetztem Gelass zufrieden sein muss.
Und ähnliche schroffe Gegensätze am Ende: tempelartige Grabsäle, mit Vorliebe auch
wieder runde und Kuppelräume für die Reichen und Grossen dieser Erde, hochragende
Grabmäler oft voll prunkenden Schmuckes und Grabsteine voll pomphafter Rede, kost-
bar geschmückte Marmorsarkophage — auf der anderen Seite ein paar zusammenge-
setzte Dachziegel: darunter der namenlose Tote.
Aber zwischen diesen Endpunkten der Entwicklung welche Höhepunkte mensch-
lichen Empfindens, wenn wir uns z. B. an die Gräberstrassen Athens versetzen! Auf
dem Grabe wohl manch köstliches Marmorwerk, dessen stille einfache Schönheit, Klar-
heit und Innigkeit der Empfindung von Herzen kommt und noch uns zu Herzen geht,
die Inschrift fast nur der Name. Und öffnest du erwartungsvoll solch schönes Grab:
ein schmuckloses Aschengefäss, ein par Väschen einfachster Art, um die Umgebung des
Toten mit Wohlgeruch zu füllen. Völlige Gleichheit Aller im Tode und nach dem
Tode, die vollste reine Menschlichkeit! Und ähnliche Höhepunkte des Menschentums,
wenn auch nicht durch solch edle hohe Kunst verklärt, kehren mehrfach wieder. Wie
eine späte Erinnerung an jene jugendfrischen Italiker, die in ihr Land ziehend die
Asche ihrer Toten ohne jede Beigabe einfachen Urnen anvertrauten, muten uns an die
tönernen Aschenurnen und die kleinen bescheiden geschmückten Marmorbehälter, in
denen die Zeit des Augustus die Reste auch ihrer vornehmsten Toten barg und sie ge-
meinsam mit denjenigen der bescheidensten Sklaven ihres Hauses in jenen unterirdischen
Totenkammern, den sog. Columbarien, beisetzte, und schliesslich wieder die stillen tiefen
Gänge der Katakomben Roms: auch sie hoben sich empor zu jener hohen Vorstellung
von der Majestät des Todes, die alle Gegensätze des Lebens ausgleicht und versöhnt.
Lassen z. B. die Katakomben Alexandrias die Standesunterschiede noch stark zur Gel-
tung kommen, entsprechend der im Osten stärkeren Wirkung des altbegründeten Mo-
narchismus, so versteht es in Rom das ungern geduldete Judentum, dann das Christentum,
jene Religion der Armseligen und Bedrückten, in wundervoller Weise, in den Kata-
komben jene antike Einfachkeit gleichen Fühlens und Denkens auch äusserlich zur
Geltung zu bringen, gleichzeitig aber auch durch die antiker Sitte entsprechenden ge-
meinsamen Erinnerungsfeiern an die Toten das Gemeinsamkeitsgefühl zu stärken und
der Dankbarkeit für die Werke des Toten stillen, weihevollen Ausdruck zu geben.
 
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