Linst »nd Jetzt. Schreiben und Lesen Igz
viel Geld", votiert ein damaliger Sozialist und schrieb diese seine
Ansicht an eine hauswand.
Aber in einem Punkt unterschied sich die damalige Welt doch
sehr vorteilhaft von der heutigen. Die Statistik Italiens muß
trotz allen Schulzwanges, der in Süditalien freilich nur auf dem
Papier steht, in denjenigen Provinzen, welche bis 1860 unter dem
autokratisch-klerikalen Bourbonenregiment standen, noch 48°/° An-
alphabeten im Durchschnitt aufführen- in einzelnen Gegenden
steigt die absolute Ziffer viel höher: in Kalabrien z.B. auf 82°/°,
entsprechend hoch ist natürlich im südlichen Italien die Zahl ju-
gendlicher Verbrecher. In Pompeji dagegen, wo ein Stadtgefäng-
nis bis jetzt nicht gefunden worden ist, scheint die edle Kunst des
Schreibens und Lesens doch recht allgemein bekannt gewesen zu
sein. Schon das Abc der kleinen Schulbuben begegnet uns in ent-
sprechender kvandhöhe mehrfach als erster Studienbeweis. Auf
höheren Altersstufen steigt die Gewichtigkeit der Beweise: zahl-
reiche Verse, z.B. bekannte vergilische versanfänge, Lustspiel-
verse, Reminiszenzen aus Goid und Properz. merkwürdigerweise
nichts aus dem doch so sentenzenreichen Horaz, der offenbar kein
Schulautor war, wenn auch die kvand eines ärmlichen Tablinum
einmal sein kNedaillonbild trägt mit den inschriftlich bezeichneten
Liedern der Sappho als Schriftrolle neben sich, wie gegenüber
Vergil mit der Rolle des Homer, hier und da begegnen uns auch
ariechische Brocken, wogegen das weiche wohlklingende vokalreiche
Gskische, die alte Volkssprache Kampaniens, im letzten Jahrhun-
dert der Stadt fast ganz verschwunden scheint: es war eben keine
Schriftsprache mehr, daher kein Gegenstand, für den die Schule
sich zu interessieren hatte, und ging an der Gleichgültigkeit der
Gebildeten zugrunde ähnlich wie es unserem köstl-chen plattdeutsch
einmal beschieden sein wird, wenn die Gebildeten aufhören, auf
unsere niederdeutsche Muttersprache stolz zu sein. Für unsere
Kenntnis des sozialen Milieus und der Schulbildung Pompejis
ist nun die Wahrnehmung wichtig, daß solche flüchtig eingekratzte
Inschriften nach Grt und Inhalt gerade besonders häufig im Be-
reich derjenigen Klassen sich finden, die im heutigen Neapel für
jeden geschäftlichen oder Liebesbrief ihre Zuflucht zu den bezahlten
Schreibern unterm Bogengang des Teatro San Larlo nehmen
würden. Ls sind die Wände gerade kleiner Wirtshäuser, Kneipen,
viel Geld", votiert ein damaliger Sozialist und schrieb diese seine
Ansicht an eine hauswand.
Aber in einem Punkt unterschied sich die damalige Welt doch
sehr vorteilhaft von der heutigen. Die Statistik Italiens muß
trotz allen Schulzwanges, der in Süditalien freilich nur auf dem
Papier steht, in denjenigen Provinzen, welche bis 1860 unter dem
autokratisch-klerikalen Bourbonenregiment standen, noch 48°/° An-
alphabeten im Durchschnitt aufführen- in einzelnen Gegenden
steigt die absolute Ziffer viel höher: in Kalabrien z.B. auf 82°/°,
entsprechend hoch ist natürlich im südlichen Italien die Zahl ju-
gendlicher Verbrecher. In Pompeji dagegen, wo ein Stadtgefäng-
nis bis jetzt nicht gefunden worden ist, scheint die edle Kunst des
Schreibens und Lesens doch recht allgemein bekannt gewesen zu
sein. Schon das Abc der kleinen Schulbuben begegnet uns in ent-
sprechender kvandhöhe mehrfach als erster Studienbeweis. Auf
höheren Altersstufen steigt die Gewichtigkeit der Beweise: zahl-
reiche Verse, z.B. bekannte vergilische versanfänge, Lustspiel-
verse, Reminiszenzen aus Goid und Properz. merkwürdigerweise
nichts aus dem doch so sentenzenreichen Horaz, der offenbar kein
Schulautor war, wenn auch die kvand eines ärmlichen Tablinum
einmal sein kNedaillonbild trägt mit den inschriftlich bezeichneten
Liedern der Sappho als Schriftrolle neben sich, wie gegenüber
Vergil mit der Rolle des Homer, hier und da begegnen uns auch
ariechische Brocken, wogegen das weiche wohlklingende vokalreiche
Gskische, die alte Volkssprache Kampaniens, im letzten Jahrhun-
dert der Stadt fast ganz verschwunden scheint: es war eben keine
Schriftsprache mehr, daher kein Gegenstand, für den die Schule
sich zu interessieren hatte, und ging an der Gleichgültigkeit der
Gebildeten zugrunde ähnlich wie es unserem köstl-chen plattdeutsch
einmal beschieden sein wird, wenn die Gebildeten aufhören, auf
unsere niederdeutsche Muttersprache stolz zu sein. Für unsere
Kenntnis des sozialen Milieus und der Schulbildung Pompejis
ist nun die Wahrnehmung wichtig, daß solche flüchtig eingekratzte
Inschriften nach Grt und Inhalt gerade besonders häufig im Be-
reich derjenigen Klassen sich finden, die im heutigen Neapel für
jeden geschäftlichen oder Liebesbrief ihre Zuflucht zu den bezahlten
Schreibern unterm Bogengang des Teatro San Larlo nehmen
würden. Ls sind die Wände gerade kleiner Wirtshäuser, Kneipen,