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Elemente beider Bauweifen treten wohl auch am gleichen Monumente auf. Eine
folche Vermifchung bezeichnet dann wahrfcheinlicher den unfchuldigen Anfang in
der Formgebung, als das verdorbene Ende.

Von diefer Vermifchung ift die bewufste Verwendung der beiden, in fich fchon
abgefchloffenen Ordnungen am nämlichen Bauwerke zu unterfcheiden, die nie, auch in
der Blüthezeit nicht, gänzlich ausgefchloffen war. Man vergleiche beifpielsweife nur die
Propyläen in Athen (432 v. Chr.) — leichte jonifche Architrave, geftützt von fchlanken
jonifchen Säulen, nehmen im Innern mit dem correfpondirenden fchwereren dorifchen
Gebälke der weltlichen Giebelfeite die Deckenbalken auf —, ferner die Tempel in
Phigaleia und Tegea, bei denen aufser den genannten Ordnungen noch die am
fpäteften in fefte Form gelangte fog. korinthifche verwendet war.

Die Gräber im Kidron-Thale, das berühmte Abfalom-Grab (Verbindung jonifcher
Säulen mit Triglyphen-Fries und ägyptifirendem Hohlkehlengefimfe; vergl. die neben-
ftehenden Abbildungen2), der Tempel in Affos an der äolifchen Küfte Kleinafiens
(jonifcher Figurenfries am Architrav mit Triglyphen-Fries darüber), das Heroon des
Theron in Akragas etc., deren aller hohes Alter feftgeftellt fein dürfte, fo wie ver-
fchiedene Darftellungen von Architekturen auf alten Vafen (Vafe des Ergotimos und
Klitias in Florenz) mögen für den oben ausgefprochenen Satz als Beleg dienen.

Gern wird das fog. Abfalom-Grab in ganz fpäte Zeit, an das Ende des vierten Jahrhunderts n. Ch.
verlegt; es wurde aber durch den Pilger von Bordeaux (333) fchon eingehend befchrieben und von ihm
als Grab des Ezechias, Königs der Juden bezeichnet.

De Saulcy (Voyage autour de la mer marte. Paris 1833) äufsert fich über diefes und die ver-
wandten Grabmäler des Zacharias etc.: Ich zögere nicht einzugestehen, dafs diefe Monumente, wie fie
heute noch find, ihre primitive Decoration bewahrt haben und dafs ihre Exiftenz als Beweis dienen kann
zu Gunften der von mir festgehaltenen Meinung, die ich mir zur Stelle gebildet habe, dafs die griechifche
Kunft, die jonifche und dorifche Bauweife, auf Entlehnungen gegründet ift, auf Elemente, die fie in
Aegypten und Afien vorfand. Ich kenne genug Monumente des Verfalls; aber ich habe an diefen nie die
bizarre Mifchung von charakteriftifchen Baugliedern fo verfchiedener Ordnungen gefehen, der wir hier
begegnen. Es fei erlaubt zu glauben und zu fagen, dafs Baftard-Monumente diefer Art wirklich der Epoche
vorangegangen fein können, in welcher die Griechen an der Entfernung von Elementen arbeiteten, die fich
nicht glücklich zu verbinden fchienen.

Auch gewiffe technifche und künftlerifche Verfahren — Ueberlieferungen bezeugen dies — waren von
Phönikern und Aegyptern hergebrachte. Bei alten ägyptifchen Bauten wurden die Steine kaum aus dem
.Groben gehauen und dann erft nach dem Verfetzen die Verzierungen oder architektonifchen Gliederungen
ausgemeifselt; auch Säulen wurden verfetzt, die noch formlos waren; man fieht dies an einigen Partien
der Gebäude örtlich von Philä, bei denen der obere Theil gemeifselt und polirt, während der untere noch
rauh gelaffen ift. Das Gleiche ift an den Tempeln in Egefta, in Sardes u. A., fogar an den Propyläen
in Athen zu fehen. Man weifs, dafs reifende Künftlergenoffenfchaften alle möglichen Künfte nach Hellas
gebracht haben; Praxis und Vorbilder kamen aus der Fremde und wahrfcheinlich grofsentheils von den
Ufern des Nil.

Salomo (gest. 975 v. Ch.), mit einer ägyptifchen Königstochter vermählt, hatte ficher auch Künftler
aus diefem Lande.

Uebrigens war die ägyptifche Civilifation in der ganzen alten Welt anerkannt, fo dafs man überall
ihrem Architektur-Syftem begegnet, fowohl in Judäa, als in Phönikien, in Niniveh wie in Persepolis.
Aegypten, diefes reiche Land, welches genug Ideen in fich trag, um die ganze alte Civilifation damit zu
verforgen, hat nach einander die Architektur bei den Phönikern, Hebräern, Affyrem und Griechen erzeugt.

Nicht in der Erfindung neuer Formen, fondern in der Sichtung des Ueber-
kommenen oder Angetretenen und deffen Vergeiftigung bewegt fich die hellenifche
Kunft. Sie konnte nur in der Zeit und durch Uebergangsftufen jene hohe Form-

a) Die IHuftrationen zur »Baukunft der Griechen« find fammtlich nach Originalzeichnungen und zum gröfsten Theile
nach Originalaufnahmen des Verfauers angefertigt worden.
 
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