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aus. Heute, wo keine Kante am Baue mehr unverfehrt, würde fich Jemand felbft
betrügen, wollte er über die Wirkung der Curven in Begeifterung gerathen und das
Lebenselixir der griechifchen Architektur in denfelben erblicken.

Die kleinen Nachläffigkeiten in der Ausführung, wonach die Perlen oberhalb
der Triglyphen und Metopen an vielen Stellen ausgelaffen oder beim Ausbaue aus-
zuhauen vergeffen wurden, mufs ich beftätigen. Mittels der Bemalung konpten aber
diefe Verfehen ausgeglichen werden.

3. Kapitel.
Polychromie.

Die Anwendung vielfarbiger Malerei an den Bauwerken der alten orientalifchen ":

Allgemeines.

Völker, der Afiaten und Aegypter, ift bekannt und Zeugniffe dafür find an den
Aufsenwänden des Tempels auf Philae und im Inneren des Tempels zu Denderah
noch erhalten. Freude an der Farbe felbft, die taufendfältig und überall in der
Natur dem Bewohner des Südens entgegentritt, mag wohl die nächfte Veranlaffung
gewefen fein, diefe auf feine Gebilde zu übertragen. »Die vielfarbigen bunten Blumen
und Früchte, mit welchen fich die Natur ziert, fcheinen die Menfchen einzuladen,
fich und alle feine Geräthfchaften mit fo hohen Farben als möglich herauszuputzen.«
(Goethe.^)

Aber auch praktifchen Zwecken konnte die Anwendung des Farbenfchmuckes
dienen; wenig widerftandsfähige Bauftoffe wurden durch ihn mit einem fchützenden
Ueberzuge verfehen, die Aufsenflächen unfchöner Materialien durch ihn gedeckt.

Die Griechen folgten wohl ägyptifchem Gebrauche und afiatifchem Gefchmacke,
wenn fie die gleich hohen Farben auf ihre Geräthfchaften und Bauwerke als höchften
Schmuck übertrugen. Der Vergänglichkeit und leichten Zerftörbarkeit derfelben an
freier Luft ift es zuzufchreiben, dafs uns nur an ganz gefchützten Theilen, oft nur
an durch Schutt und Erde bedeckt gewefenen Bruchftücken, Spuren erhalten blieben,
aber diefe doch wieder in fo reichem Mafse, dafs wir mit beinahe vollkommener
Sicherheit die Zeichnung des Schmuckes fowohl, als auch deffen Farbe feftftellen
können.

Wir haben übrigens auch durch alte Schriftfbeller verbriefte Zeugniffe. Homer
und Euripides fprechen von farbigen Architekturen. Die Mauern des Palaftes des
Alkinous werden mit blauem Kranze geziert gefchildert; in der Iphigenie wird des
fchönfäuligen Tempels goldiger Fries (svatvXmv racöv xQVffrjQSig &(>iyxovs) erwähnt etc.,
und Vitruv läfft die Triglyphen mit himmelblauer Wachsfarbe bemalt fein.

Ein weiteres Zeugnifs find die am 10. October 1836 im rechten Flügel der
Propyläen in Athen gefundenen, leider zerbrochenen und unvollftändigen Platten
aus pentelifchem Marmor, auf denen die Rechnung über die Vollendungs- und Deco-
rationsarbeiten eingegraben war. Wir entnehmen denfelben z. B.: j . . . Denjeni-
gen, welche die Gerüfte für die Malereien des unteren Theiles unter dem Dache
erbauten, dem Manis aus Kollytos, 4 Obolen; den Malern — dem, welcher das
Kymation am inneren Architrav malte, pro Fufs 5 Obolen; 166 Goldblätter gekauft
zur Vergoldung der Mufcheln (wohl Eierftab oder Herzlaub gemeint?) . . .«

Ebenfalls im Jahre 1836 fand man bei den Ausgrabungen am alten Parthenon
 
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