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149.

Auftreten
u. Ausbreitung.

150.
Rede.

Material
u. Polychromie

keine befonderen Satzungen für das Gefimfe und die übrigen Zierden hatte, »fondern
entweder von der Einrichtung des Triglyphen-Gliedes die Kragfteine am Kranz-
gefimfe und am Gebälke die Tropfen nach dorifcher Bauweife, oder nach jonifcher
Satzung mit Reliefs gefchmückte Friefe mit Zahnfchnitt und Gefimfe angebracht
habe«.

So fei aus den zwei Ordnungen dadurch, dafs man ein neues Kapitell da-
zwifchen fetzte, eine dritte Bauordnung gefchaffen worden.

Aber nicht blofs in diefer Gefimsanordnung oder in der Anwendung des
ägyptifchen Kelch-Kapitells befteht diefe formale Neuerung, die in der fpäteren Zeit
die anderen Ordnungen verdrängen follte, fondern auch in dem elaftifch ge-
fchwungenen Friefe, der »als leife gefchwungene fteigende Welle, welche die
Laft des Deckenrahmenwerkes federkräftig aufnimmt und auf das Epiftylion über-
trägt«, gebildet ift. (Vgl. Sempera)

Die Anzeichen für das Emporkommen und die Aufnahme des neuen Stils
finden fich nach dem Gefagten in jenen jonifchen Monumenten, im Inneren der
Tempel von Phigaleia und Milet —■ aber erft in Alexandrinifcher Zeit fand er all-
gemeine Aufnahme und wurde der herrfchende; er wurde fpäter, nach der voll-
ftändigen Vernichtung der Selbftändigkeit der griechifchen Staaten und des Volkes,
von den prachtliebenden Herren deffelben mit Vorliebe gehegt und gepflegt.

Karg find die uns überkommenen Refbe diefer Ordnung, fowohl auf hellenifchem
(europäifchem), als auch auf afiatifchem Boden; aber koftbare Zeugen diefer
prächtigften Bauweife find uns in dem zierlichen choragifchen Monumente des
Lyfikrates in Athen und in dem auf hoher Terraffe in der Tiefftadt Athen ge-
legenen Tempel des olympifchen Zeus erhalten, einem Monumente, das an Gröfse
und Pracht, an Schönheit und Koftbarkeit des Materials zu allen Zeiten feines
Gleichen fuchen wird, und an dem, allerdings mit Unterbrechungen, 6^2 Jahr-
hunderte (er wurde 650 Jahre nach der Grundfteinlegung vollendet) — von den
Peififtratiden bis Hadrian — gebaut wurde.

An dem einen bewundern wir das reizende feingliederige Detail, die zarten Säul-
chen von kaum 30cm Durchmeffer, bei dem anderen die Riefenftämme von nahezu 2m
Durchmeffer bei beinahe 17 m Höhe und die gewaltigen über 6'/2m langen Marmor-
balken der Epiftylia.

Genau wie bei den dorifchen und jonifchen Bauweifen finden wir auch hier
die gleichen Formen bald an den zierlichften Kleinarchitekturen, bald an den ge-
waltigften Tempelriefen.

Das aufgewandte Material ift an den meiften griechifchen und kleinafiatifchen
korinthifchen Monumenten der weifse Marmor, deffen feines kryftallinifches Korn
fich befonders zur gediegenen Herftellung der vielen kleinen Sculpturen und Or-
namente eignete.

Die Polychromie trat jedenfalls bei den Werken diefes Stils den beiden
anderen gegenüber etwas zurück. Die farbige Flachdecoration machte hier über-
wiegend dem Relief-Schmuck Platz; der vergängliche Farbenauftrag muffte mit der
Zeit der Decorationsweife mit von Natur aus farbigen Steinen, alfo einer monumen-
talen Polychromie weichen.

Vergoldungen einzelner Theile dürften ausgiebiger angewendet worden fein,
als an den Bauten dorifcher und jonifcher Ordnung.
 
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