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Durm, Josef
Handbuch der Architektur (Theil 2, Die Baustile ; Bd. 1): Die Baukunst der Griechen — Darmstadt, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.1160#0132
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n8

viele Fragmente vom Fries und Hauptgefimfe deffelben, die mit Farbe bemalt
waren und fich im Schofse der Erde eine merkwürdige Frifche und Lebendigkeit
bewahrt haben, an der man fich heute noch erfreuen kann.

Die beften Belege für die urfprüngliche Bemalung find uns aber an den atheni-
fchen Monumenten felbft noch erhalten. Thefeion, Parthenon und Propyläen weifen
genugfame Spuren auf; an vielen intereffanten Architektur-Fragmenten aus Marmor
oder aus peiräifchem Steine mit Stucküberzug, die in den Mufeen in Athen aufge-
fpeichert liegen, ift die vollftändige Bemalung noch erfichtlich. Nur darf man die
Farben nicht mehr an den grofsen Flächen der Säulen, den äufseren Gebälktheilen
und den Cella-Mauern der Marmor-Monumente fuchen wollen; denn die Epidermis
des Marmors ift an diefen Wind und Wetter ausgefetzten Theilen zerfreffen; mithin
muffte ' die fchützende Farbe fchon früher verfchwunden fein, ehe die Oberfläche des
Marmors angegriffen werden konnte. Dafs der jetzt die Monumente theilweife be-
deckende Goldton, der von einer Flechte herrührt, mit einem Farbenüberzug ver-
wechfelt werden konnte, ift fchwer zu faffen.

Auch die ficilianifchen Monumente und die allerdings aus fpäter Zeit flammen-
den Architekturen Pompeji's weifen noch Refte oder fogar noch eine vollftändige
Bemalung auf.

Es bleibt zu beklagen, dafs die Forfcher des vorigen Jahrhunderts uns fo karge
Notizen nach diefer Richtung überliefert haben, während fie doch noch viel mehr
gefehen haben mufften, als die fpäter geborenen.

Erft in diefem Jahrhundert gewannen die Unterfuchungen über diefen wichtigen
Theil der griechifchen Architektur, den decorativen äufseren Schmuck, beftimmtere
Form, und es follte den Erften, die für den Gedanken einer totalen Polychromie
eintraten, nicht erfpart bleiben, auf heftigen Widerfpruch zu ftofsen bei Künftlern
und Gelehrten. Ein erbitterter Federkrieg für und wider die vielfarbige äufsere
Decoration entfpann fich und wurde Jahre lang, merkwürdigerweife vielfach von
folchen, die einen griechifchen Bau im Leben nie gefehen, fortgeführt.

Im Jahre 1823—24 machte Hittorf bezügliche Angaben über ficilianifche Mo-
numente und lieferte in feinem 1851 erfchienenen Prachtwerke [ü architecturepolychrome
chez les Grecs) den nahezu endgiltigen Beweis für die totale Polychromie. Inzwifchen
trat auch der geniale Semper als Kämpe für diefe Sache ein und trug zur Erledi-
gung der Streitfrage in Wort und Bild das Wefentliche bei.

Auch die franzöfifchen und englifchen Forfcher/ wie Desbuiffon, Paccard, Bur-
nouf, Penrofe etc., flehen für die vollftändige Bemalung ein. Das Häuflein der Weifs-
feher der antiken Architektur hat fchliefslich doch den Kampfplatz den Thatfachen
gegenüber räumen muffen und vertheidigt jetzt nur noch feine gefpenfterhaft weifsen
Sculpturen oder feine Blafsgefichter in farbigen Gewändern.

Oft wird die Vielfarbigkeit, der Gebrauch bunter Decorationsfarben, barba-
rifch und gefchmacklos genannt; »allein unter einem recht heiteren und blauen Himmel
ift eigentlich nichts bunt; denn nichts vermag den Glanz der Sonne und ihren
Widerfchein im Meere zu überftrahlen. Die lebhaftefle Farbe wird durch das ge-
waltige Licht gedämpft, und weil alle Farben, jedes Grün der Bäume und Pflanzen,
das gelbe, blaue, rothe Erdreich in völliger Kraft auf das Auge wirken, fo treten
dadurch felbft die farbigen Blumen und Kleider in die allgemeine Harmonie.« (Goethe.)

Aber auch die farblofe Plaftik in Mitten einer hochfarbigen Architektur ift
nicht zu halten und nicht denkbar. Die von C. 0. Müller (1840) vertretene An-
 
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