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Dvořák, Max
Geschichte der italienischen Kunst im Zeitalter der Renaissance: Akademische Vorlesungen (Band 1): Das 14. u. 15. Jahrhundert — Muenchen, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.42342#0107
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DIE PATRES DER RENAISSANCE

Pforte. Merkwürdigerweise schrumpfen die künstlerischen Taten, die
Vasari Filippo beigemessen hat, bei kritischer Untersuchung sehr zu-
sammen. An der Einwölbung der Domkuppel, die Vasari als eine
geniale Tat gepriesen hat, ist nach den Urkunden sein Anteil sehr
gering; bei seinen sonstigen Bauten handelt es sich entweder um
kleinere Werke oder um solche, die erst nach seinem Tode beendet
wurden, und daß er als Bildhauer von Donatello übertroffen wurde,
unterliegt keinem Zweifel. Der Widerspruch ist nicht schwer zu er-
klären. Filippos Bedeutung lag weniger in gewaltigen künstlerischen.
Unternehmungen, in denen das Zeitalter Michelangelos die Voraus-
setzung für unsterblichen Ruhm sah, als in der Wendung, die er der
ganzen florentinischen Kunst gegeben hat. Gleich das erste. Werk,
mit dem er hervortrat, ist dafür charakteristisch.
Im Jahrecl401 wurde in Florenz von den Vorstehern der Wollweber-
zunft eine Konkurrenz ausgeschrieben. Es war alte italienische, aus
der Antike stammende Sitte, bedeutsame kirchliche Bauten mit
ehernen Pforten und diese mit plastischem Schmuck zu versehen.
Den Reliefs einer solchen Bronzetür, die als Seitenstück zu der von
Andrea Pisano im zweiten Viertel des XIV. Jahrhunderts für die Tauf-
kirche von Florenz verfertigten geplant wurde, galt der Wettbewerb.
Es waren Entwürfe für die Darstellung der Opferung Isaaks, welche
einen der Vierpässe an der Tür schmücken sollte, vorzulegen. Neben
anderen haben sich daran zwei Künstler beteiligt, deren Arbeiten sich
uns noch erhalten haben: Lorenzo Ghiberti und Filippo Brunelleschi
(Tafel 32 und 33). Der erstere erhielt den Preis. Vasari meint deshalb,
weil seine Arbeit technisch vollendeter war, was aber kaum der ei-
gentliche Grund gewesen sein dürfte. Gemeinsam ist beiden Modellen
der gotische Ausgangspunkt und die Benützung klassischer Motive,
in beiden können wir einen unleugbaren Fortschritt der Trecento-
kunst gegenüber beobachten. Doch während dieser Fortschritt bei
Ghiberti, der das gotische Sentiment selbst in seinen spätesten Wer-
ken nicht verleugnen kann und will, als eine natürliche und konse-
quente Weiterbildung der vorangehenden florentinischen Kunst er-
scheint, bricht sich in Brunelleschis Werk — im Rahmen der Tra-
dition, den es indessen sprengt — mit elementarer Kraft ein neues
Kunstprinzip Bahn. In der plastischen Kunst hatte im XIV. Jahrhun-
dert in Italien ein Stil die Führung, der von Giottos Kunst ausgeht
und wie diese eine bildmäßige Übertragung der dargestellten Vorgänge

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