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Major, Emil; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 23): Frühdrucke von Holz- und Metallplatten aus den Bibliotheken des Barfüsserklosters in Freiburg i. S. und des Kapuzinerklosters in Luzern — Straßburg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.7776#0012
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A. HOLZSCHNITTE AUS DER BIBLIOTHEK DES BARFUSSERKLOSTERS

IN FREIBURG [. S.

1. Die Verkündigung. H. 271 mm. B. 193 mm.

— Fehlt bei Schreiber.

Farben: Violett, weinrot, lackrot, ockergelb, grau,
spangrün, olivgrün.

Von einigen Wurmlöchern abgesehen, ist der Holz-
schnitt, besonders auch in den Farben, von wunderbarer
Erhaltung.

Auf dem ersten Blatt des II. Bandes eines Exemplars
der «Summa Predicantium> des Joh. de Bromyard (Druck
o. 0. u. J., wohl aus der Offizin des Berthold Ruppel zu
Basel) aufgeklebt. Dadurch ist eine handschriftliche Notiz
zugedeckt worden, die, in der Durchsicht noch erkennbar,
den einstigen Besitzer des Buches nennt: «Frater petrus
wachenheym de Spira: conuentus Jn ■ buchse Anno • 1 • 4 • 88 •»

In einer Hauskapelle mit Altarnische kniet Maria vor
ihrem Gebetpult, die eine Hand auf den Psalter gelegt,
die andere staunend erhoben. Ihr violettes Untergewand
umhüllt ein roter weißgefütterter Mantel, den eine Gold-
spange schließt; den Kopf umzieht ein gekerbter Scheiben-
nimbus. Ihr naht von links im Diakonengewand mit
violetter Dalmatika der Engel, dessen Flügel mit Pfauen-
federn geschmückt sind. In der Linken hält er das Schrift-
band, auf dem zu lesen ist: • abe rjraria plcna bomintu*
tz. Links oben erscheint in Wolken Gott Vater mit Kreuz-
scheibennimbus, die Weltkugel auf der Hand und segnend.
Aus seinem Munde gehen goldene Lichtstrahlen, auf denen
die Taube des hl. Geistes nach dem Haupte der Jungfrau
hinabschwebt.

Das hölzerne Tonnengewölbe des Vorraums ruht auf
steinernen Pfeilern und auf einer zierlichen gotischen

Rundsäule, während die Nische eine flache Holzdecke auf-
weist. An der Wand hängt, mit Blumenranken gemustert,
ein gewirkter Teppich, der Boden hat Fliesenbelag; auf
der Altarstaffel erblickt man das Wasserglas mit der Lilie.

Es liegt hier ein frühzeitiger Versuch eines talentierten
Zeichners vor, seine Figuren mit einer komplizierten Innen-
architektur in Verbindung zu setzen. Trotz der ihm noch
anhaftenden Mängel überrascht das Blatt durch die freie
Beweglichkeit der Figuren im Räume, durch den leichten,
flotten Zug der Linien an der Gestalt des Engels und
durch den Reichtum der ganzen Darstellung. So ist das
Blatt, als die Farbe noch hinzutrat, zu einem eigentlichen
Kleinod unter den frühesten Einblattdrucken geworden.

Das bis jetzt noch unbeschriebene Blatt ist die vierte
Variante eines der frühen Holzschnittforschung ge-
läufigen Typus. Man kannte bis dahin:

a) Schreiber Nr. 26. — Weigel u. Zestermann Nr. 18;
daselbst Abbildung. — Neben anderem fällt eine Wellen-
linie im Nimbus der Maria auf. Von Weigel irrtümlich
unter die Metallschnitte aufgenommen. Das Exemplar
der Weigelschen Sammlung stammte aus Freising.

b) Schreiber Nr. 27. — Weigel u. Zestermann Nr. 81;
daselbst Abbildung. — Statt der Wellenlinie erscheinen
kleine Bogen im Nimbus der Maria. Der kleine Finger
von Marias linker Hand ist gebogen und etwas ge-
hoben. Einst in der Weigelschen Sammlung, jetzt im
Germanischen Museum zu Nürnberg. Abgebildet bei
Essenwein «Die Holzschnitte des 14. u. 15. Jahrhunderts
im Germanischen Museum» Taf. XXXI; daselbst auf
die Jahre 1440—50 datiert.
 
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