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KAIRO.
Da begegnete ihm ein Diener, der ein Präfentirbrett mit feinen Gerichten und Früchten auf dem
Kopfe trug, die für ein Gaftmahl in einem Landhaufe beftimmt waren. Sogleich ftiefs der Heilige
dem Träger feinen Stecken zwifcheri die Füfse, fo dafs er hinftürzte und lieh Alles, was die
Schüffein enthielten, auf die Strafse ergofs. Wüthend warf Geh nun der Diener auf ihn und
gab ihm den Stock eben fo unfanft zu koften, wie er felbft von feinem Herrn für feine Unge-
fchicklichkeit geprügelt zu werden erwartete. Indeffen machten lieh Hunde über die auf der
Strafse liegenden Gerichte her und verendeten kurz nach dem Genuffe der erften Biffen. Diefer
Umftand belehrte die Anwefenden, dafs die in den Staub geworfenen Speifen vergiftet gewefen
waren, und flehentlich bat man den Heiligen um Entfchuldigung. Der fromme Mann rieb feinen
wund geprügelten Leib, fagte fich, dafs es doch nicht wünfehenswerth fei, Alles zu durchfehaucn,
was den übrigen Sterblichen verborgen bleibe, und flehte zu Gott und dem Kutb, ihm die Bürde
der Heiligkeit wieder abzunehmen und ihn in die alte Unwiffenheit und feinen belcheidenen Stand
zurück zu verfetzen. Der Himmel erhörte fein Gebet und als Krämer ward der frühere Weli
nicht mehr geprügelt. Von dem gewöhnlich «Eifenftcin» genannten Heiligen, der Mamluk des
Sultans Kait-Bei gewefen fein foll, wird erzählt, fein Gebieter habe ihn zu einem ehrwürdigen
Schech gefchickt, damit er ihm ein reiches Geldgefchcnk überbringe. Der Weli wies zuerft die
Gabe zurück, endlich aber nahm er fie an, — drückte die Münzen mit der Hand zufammen, in
der iie fleh augenblicklich in Blut verwandelten, und fagte: «Schau', mein Sohn, diels ift euer Gold!»
Der Mamluk erbebte, blieb bei dem Weli als fein Schüler, ftiftete einen Derwifchorden und wird
heute noch als Heiliger, an deffen Grab fleh mehr als eine Legende knüpft, zu Kairo verehrt.
Dafs vielen Reliquien befondere Kräfte zugefchrieben werden, haben wir gclehen, aber man
glaubt auch, dafs folehe gewiffen Bauten innewohnen; z. B. einem Gotteshaufe, welches heute
noch «gäm'a el-benät», d. i. die Mofchcc der Töchter, genannt wird. Ihr wird die befondere
Fähigkeit zugefchrieben, zur Verhcirathung von fitzen gebliebenen Jungfrauen mit Erfolg beizutragen.
Jeden Freitag verfammeln fich in ihr wie in vielen anderen Mofcheen die Gläubigen, um Predigt
und Gebet anzuhören. Will nun ein Mädchen, dem es trotz aller Bemühungen feiner Angehörigen
nicht gelang, in irgend einem Harem als Herrin unterzukommen, einen Mann erwerben, fo empfiehlt
ihr die Volkstradition Folgendes: Sie begebe fich am Freitag zum Mittagsgebete (dem feierlichften
Gebete in der ganzen Woche) in die Mofchee der Töchter. Während die Rechtgläubigen auf den
aus dem Munde des Imäm ertönenden Ruf «Allah akbär» (Allah ift grofs) zur erften Profternation
niederfinken und mit ihrer Stirn die Rohrmatten des Mofchecbodens berühren, wandre fie in den
zwei Reihen von Betern trennenden Zwifchenräumen einmal hin und einmal her; ficher wird es
ihr dann noch im felben Jahre zu Theil werden, an der Seite eines guten Gatten die Freuden
des ehelichen Lebens zu genielsen.
Die meiften frommen Sagen knüpfen fich an die Heiligengräber, die man, wie die Heiligen
felbft, «Weli» nennt, deren es eine grofse Menge gibt, die man als Mittelpunkte des religiöfen
Lebens der Kairener betrachten darf, und unter denen die älteren dennoch nicht weniger fchlecht
erhalten find, als die übrigen Bauten aus der Chalifenzeit. Solche Wcligräber befinden fich entweder
in Mofcheen, die nach dem in ihnen beftatteten Heiligen benannt werden, oder es find für fich
beftehende Bauten, die mit einer Kuppel bedacht find, und in deren ungeräumigem Innern der
mit einem Teppich bedeckte Sarg des Heiligen, vor dem die Befucher ihre Andacht verrichten,
den Mittelpunkt bildet. Diefe «Kubbes» erheben fich gewöhnlich da, wo der fromme Mann, deffen
irdifche Refte fie bergen, feine anachoretifehe Zelle oder Zäwija (wörtlich «Winkel») gehabt haben
foll, und man begegnet derartigen Bauten im ganzen Morgenlande auf Schritt und Tritt, denn grofs
KAIRO.
Da begegnete ihm ein Diener, der ein Präfentirbrett mit feinen Gerichten und Früchten auf dem
Kopfe trug, die für ein Gaftmahl in einem Landhaufe beftimmt waren. Sogleich ftiefs der Heilige
dem Träger feinen Stecken zwifcheri die Füfse, fo dafs er hinftürzte und lieh Alles, was die
Schüffein enthielten, auf die Strafse ergofs. Wüthend warf Geh nun der Diener auf ihn und
gab ihm den Stock eben fo unfanft zu koften, wie er felbft von feinem Herrn für feine Unge-
fchicklichkeit geprügelt zu werden erwartete. Indeffen machten lieh Hunde über die auf der
Strafse liegenden Gerichte her und verendeten kurz nach dem Genuffe der erften Biffen. Diefer
Umftand belehrte die Anwefenden, dafs die in den Staub geworfenen Speifen vergiftet gewefen
waren, und flehentlich bat man den Heiligen um Entfchuldigung. Der fromme Mann rieb feinen
wund geprügelten Leib, fagte fich, dafs es doch nicht wünfehenswerth fei, Alles zu durchfehaucn,
was den übrigen Sterblichen verborgen bleibe, und flehte zu Gott und dem Kutb, ihm die Bürde
der Heiligkeit wieder abzunehmen und ihn in die alte Unwiffenheit und feinen belcheidenen Stand
zurück zu verfetzen. Der Himmel erhörte fein Gebet und als Krämer ward der frühere Weli
nicht mehr geprügelt. Von dem gewöhnlich «Eifenftcin» genannten Heiligen, der Mamluk des
Sultans Kait-Bei gewefen fein foll, wird erzählt, fein Gebieter habe ihn zu einem ehrwürdigen
Schech gefchickt, damit er ihm ein reiches Geldgefchcnk überbringe. Der Weli wies zuerft die
Gabe zurück, endlich aber nahm er fie an, — drückte die Münzen mit der Hand zufammen, in
der iie fleh augenblicklich in Blut verwandelten, und fagte: «Schau', mein Sohn, diels ift euer Gold!»
Der Mamluk erbebte, blieb bei dem Weli als fein Schüler, ftiftete einen Derwifchorden und wird
heute noch als Heiliger, an deffen Grab fleh mehr als eine Legende knüpft, zu Kairo verehrt.
Dafs vielen Reliquien befondere Kräfte zugefchrieben werden, haben wir gclehen, aber man
glaubt auch, dafs folehe gewiffen Bauten innewohnen; z. B. einem Gotteshaufe, welches heute
noch «gäm'a el-benät», d. i. die Mofchcc der Töchter, genannt wird. Ihr wird die befondere
Fähigkeit zugefchrieben, zur Verhcirathung von fitzen gebliebenen Jungfrauen mit Erfolg beizutragen.
Jeden Freitag verfammeln fich in ihr wie in vielen anderen Mofcheen die Gläubigen, um Predigt
und Gebet anzuhören. Will nun ein Mädchen, dem es trotz aller Bemühungen feiner Angehörigen
nicht gelang, in irgend einem Harem als Herrin unterzukommen, einen Mann erwerben, fo empfiehlt
ihr die Volkstradition Folgendes: Sie begebe fich am Freitag zum Mittagsgebete (dem feierlichften
Gebete in der ganzen Woche) in die Mofchee der Töchter. Während die Rechtgläubigen auf den
aus dem Munde des Imäm ertönenden Ruf «Allah akbär» (Allah ift grofs) zur erften Profternation
niederfinken und mit ihrer Stirn die Rohrmatten des Mofchecbodens berühren, wandre fie in den
zwei Reihen von Betern trennenden Zwifchenräumen einmal hin und einmal her; ficher wird es
ihr dann noch im felben Jahre zu Theil werden, an der Seite eines guten Gatten die Freuden
des ehelichen Lebens zu genielsen.
Die meiften frommen Sagen knüpfen fich an die Heiligengräber, die man, wie die Heiligen
felbft, «Weli» nennt, deren es eine grofse Menge gibt, die man als Mittelpunkte des religiöfen
Lebens der Kairener betrachten darf, und unter denen die älteren dennoch nicht weniger fchlecht
erhalten find, als die übrigen Bauten aus der Chalifenzeit. Solche Wcligräber befinden fich entweder
in Mofcheen, die nach dem in ihnen beftatteten Heiligen benannt werden, oder es find für fich
beftehende Bauten, die mit einer Kuppel bedacht find, und in deren ungeräumigem Innern der
mit einem Teppich bedeckte Sarg des Heiligen, vor dem die Befucher ihre Andacht verrichten,
den Mittelpunkt bildet. Diefe «Kubbes» erheben fich gewöhnlich da, wo der fromme Mann, deffen
irdifche Refte fie bergen, feine anachoretifehe Zelle oder Zäwija (wörtlich «Winkel») gehabt haben
foll, und man begegnet derartigen Bauten im ganzen Morgenlande auf Schritt und Tritt, denn grofs