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Minna. Mein Herr —
Rico aut. Nit? Sie sprek nit Französisch, Ihre Gnad?
Minna. Mein Herr, in Frankreich würde ich es zu sprechen suchen.
Aber warum hier? Ich höre ja, dass Sie mich verstehen, mein
Herr.
So sprach wol Lessing’s Minna; vielleicht hätte aber damals
kein einziges deutsches Edelfräulein gewagt, im Leben ähnlich zu
antworten.
Dieses verspottete Franzosenthum war zu jener Zeit ein Ereig-
nis®, die Geisselung, die mittelbar der deutsche vor dem Auslande
kriechende Knechtsinn und die Vorliebe der Höfe für solche Gecken
empfing, eine Befreiungsthat.
Das Lustspiel schlug überall wie ein reinigender Blitz ein, am
erfolgreichsten, freilich nach einem langen Zögern der Polizeibe-
hörde, welche eher über Gott als über den Staat nachzudenken
erlaubte, in Berlin. Dort siegte Minna von Barnhelm zu Gunsten
der ganzen deutschen Literatur (1767), unter den Augen des Siegers
von Rossbach, der jedoch den geistigen Sieg über Frankreich nicht
würdigte, nicht verstand.
Im Hinblicke auf unseren wiederholten Ruf an die deutschen
Dramatiker, sich endlich wie die Frankreichs in einem dauernden
und wirksamen Bunde zusammen zu schliessen, gemeinsam ihre
Rechte zu wahren, darf an folgende Briefstelle Ramler’s aus Berlin
erinnert werden: „Lessing kann sich nicht beschweren, dass wir
undankbar gegen seine Muse sind. Wir haben Minna hier zwan-
zigmal hintereinander gespielt; wir haben sie in Kupfer stechen
und in die Kalender setzen lassen; wir haben diese Minna sogar
auf die Punschnäpfe malen lassen. Nur hat sie ihm nichts
ein geb rächt: Das ist Alles, worüber ersieh beklagen kann. Die
Pariser Poeten werden von Einem solchen Stücke gespeiset, ge-
tränket, gekleidet, beherbergt; und von sechs guten Stücken können
sie gar reich werden.“
Dafür musste auch Lessing zu Ehren der deutschen Nation auf
Staatskosten beerdigt werden!!
M ir wenden uns nunmehr nach Hamburg zurück.
An die Stelle der Neuberin war Schönemann getreten, der am
12. Jänner 1740 seine Prinzipalschaft in Lüneburg begann. Die
Minna. Mein Herr —
Rico aut. Nit? Sie sprek nit Französisch, Ihre Gnad?
Minna. Mein Herr, in Frankreich würde ich es zu sprechen suchen.
Aber warum hier? Ich höre ja, dass Sie mich verstehen, mein
Herr.
So sprach wol Lessing’s Minna; vielleicht hätte aber damals
kein einziges deutsches Edelfräulein gewagt, im Leben ähnlich zu
antworten.
Dieses verspottete Franzosenthum war zu jener Zeit ein Ereig-
nis®, die Geisselung, die mittelbar der deutsche vor dem Auslande
kriechende Knechtsinn und die Vorliebe der Höfe für solche Gecken
empfing, eine Befreiungsthat.
Das Lustspiel schlug überall wie ein reinigender Blitz ein, am
erfolgreichsten, freilich nach einem langen Zögern der Polizeibe-
hörde, welche eher über Gott als über den Staat nachzudenken
erlaubte, in Berlin. Dort siegte Minna von Barnhelm zu Gunsten
der ganzen deutschen Literatur (1767), unter den Augen des Siegers
von Rossbach, der jedoch den geistigen Sieg über Frankreich nicht
würdigte, nicht verstand.
Im Hinblicke auf unseren wiederholten Ruf an die deutschen
Dramatiker, sich endlich wie die Frankreichs in einem dauernden
und wirksamen Bunde zusammen zu schliessen, gemeinsam ihre
Rechte zu wahren, darf an folgende Briefstelle Ramler’s aus Berlin
erinnert werden: „Lessing kann sich nicht beschweren, dass wir
undankbar gegen seine Muse sind. Wir haben Minna hier zwan-
zigmal hintereinander gespielt; wir haben sie in Kupfer stechen
und in die Kalender setzen lassen; wir haben diese Minna sogar
auf die Punschnäpfe malen lassen. Nur hat sie ihm nichts
ein geb rächt: Das ist Alles, worüber ersieh beklagen kann. Die
Pariser Poeten werden von Einem solchen Stücke gespeiset, ge-
tränket, gekleidet, beherbergt; und von sechs guten Stücken können
sie gar reich werden.“
Dafür musste auch Lessing zu Ehren der deutschen Nation auf
Staatskosten beerdigt werden!!
M ir wenden uns nunmehr nach Hamburg zurück.
An die Stelle der Neuberin war Schönemann getreten, der am
12. Jänner 1740 seine Prinzipalschaft in Lüneburg begann. Die