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Der Aesthetiker wird in Fragen der Technik hinter dem Künstler
des einzelnen Faches nothwendig zurückstehen; aber einen Vorzug
nimmt er in Anspruch. Er steht nicht auf dem Standpunkte einer
einzelnen Kunst, er hat alle, er hat die Kunst im Auge; daher
schweben ihm stets die höchsten ewiggültigen Kunstgesetze vor,
daher hält er die geschichtliche Entwickelung der gesammten Kunst,
den Zusammenhang derselben mit aller Kulturbewegung fest und
gibt den Sonderkünsten gegenüber die Losung aus: Eins ist die
Kunst!
Wie sehr und wie oft widerspricht die Wirklichkeit dieser
höchsten Anschauung! Wie oft weiss der Maler nur von der Kunst
der Farben, nichts vom Dichter, wie oft der Dichter nichts vom
Ringen der Tonkunst seiner Zeit. Alle diese Bestrebungen laufen
vielfach stralenförmig aus einander, statt dass sie von der trennen-
den Periferie aus in einen Brennpunkt Zusammenflüssen.
Diese Trennung bekämpft der Aesthetiker und kennt, von der
Verschiedenheit der Darstellungsmittel, von Stein und Farbe, Ton
und Wort absehend, nicht diese und jene Kunstgenossen, nur den
Künstler.
Deshalb, weil die Aesthetik keiner Sonderkunst angehört, son-
dern nur auf dem Standpunkte der Kunst steht, kann sie alle
Richtungen der einzelnen Künste verstehen, jedem Fortschritte in
diesem und jenem Gebiete gerecht werden. Der Maler vertieft sich
leicht zu sehr in eine Frage der Technik, und in der Musik hat von
Monteverde’s Tagen bis heute die alte Schule stets die neue
bekämpft und zwar die Form derselben. Wer sich an diese
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