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Von 1750 war (nach Wagner) der bernische Staats- und Pri-
vatwohlstand auf dem Höhepunkte, wozu glückliche Spekulationen
in Holland und England beigetragen hatten. Viele Stellen, Pensio-
nen, über hundert Landgüter, Hebberge von Genf bis Brugg waren
in heimischen Händen. Die Firma Malacrida zog aber viele Berner
Patrizier in ihre Schwindeleien hinein und verleitete sie, das Land
zu verkaufen, womit sie auch politisch an Boden verloren.
Die Feste dieser Zeit waren hochglänzend; die Männer in ihren
Gallauniformen, in seidenen hellfarbenen Kleidern mit wei.ssseidenen
Westen, Hosen und Strümpfen, die Frauen mit ihren schneeweissen
wogenden Straussfedern werden als stattliche Schönheiten gerühmt.
Die Gesellschaft war streng in Stufen geschieden, und jedes Kind,
zumal jedes Mädchen, wusste genau, zu welcher es gehöre, von der
Mama mit heraldischer Genauigkeit unterrichtet. Höflich gegen
Alle hielt man doch und gerade die Nächststehenden durch über-
triebene Höflichkeit in einer gewissen Entfernung. La haute Societe
— l’Olympe — le beau monde — la bonnne societe — la bonne
Compagnie hiessen die höheren Kreise. Sinncr, Prof. Lerber, Prof.
Wilhelmi werden als die belebenden geistigen Elemente genannt.
Mit dieser Pracht der Bälle und Schlittenfahrten und Soupers (für
eine gleiche Zahl von Herren und Damen, nach Pariser Sitte) nahm
aber die Sittenverderbniss so zu, dass die Regierung 1774 durh den
alten Pfarrer Dutoit in der französischen Kirche, wohin die elegan-
ten Damen gingen, eine Strafpredigt halten und gewissen Frauen
es sogar in aller Stille anbefehlen liess, die Predigt zu besuchen.
Daneben gingen — zumal für die geringere Bürgerschaft —- die
Zünfte und Leiste fort, denen Fridrich der Grosse viel zu thun gab.
Die preussische Partei mit ihrem lieben Fritz bestand aus Hand-
werkern, Kaufleuten, Schreibern, Juristen, Aerzten, Wol auch Ge-
lehrten, — die österreichische aus den Offizieren in fremden Diensten
und ihren Verwandten. Die Partei, die eben eine Siegesnachricht
besass, sang und jubelte; die besiegte sass still in der Nebenkammer
oder blieb gar daheim oder suchte Trost bei Gleichgesinnten auf dem
Lande. Zuweilen mussten die Frauen und Töchter mit ihren Papier-
laternchen kommen und die Preussen und Oesterreicher heimholen.
Erst die Verluste der „Lüg-Kreide“, wie Wagner das Haus
Malacrida frei übersetzt, brachte — aber zu spät -— einfachere Le-
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