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kisirenden Richtung Goethe und Schiller selbst, sprach sich Tiek
(an Jean Paul erinnernd) gegen den Kultus der Antike als einen ganz
nichtigen, willkürlichen und leeren Aberglauben aus.
Die neue Aufgabe ist von A. W. Schlegel in dem Einlei-
tungsgedicht zu den „Blumensträussen der italienischen, spanischen
und portugiesischen Poesie“ (1804) also ausgesprochen worden:
An die südlichen Dichter.
Nehmt dies mein Blumenopfer, heil’ge Manen!
Wie Göttern biet’ ich Euch die eig’nen Gaben.
Mit Euch zu leben und den deutschen Ahnen,
Ist, was nur einzig das Gemüth kann laben.
Halb Römer, stammt Ihr dennoch von Germanen:
So lasst mit deutscher Red’ denn Euch begaben
Und heim Euch führen an des Wohllauts Banden
Zu nördlichen aus südlich schönen Landen.
Eins war Europa in den grossen Zeiten,
Ein Vaterland, dess Boden hehr entsprossen,
Was Edle kann in Tod und Leben leiten.
Ein Ritterthum schuf Kämpfer zu Genossen,
Für Einen Glauben wollten Alle streiten,
Die Herzen waren Einei’ Lieb’ erschlossen.
Da war auch Eine Poesie erklungen,
In Einem Sinn, nur in verschied’nen Zungen.
Nun ist der Vorzeit hohe Kraft zerronnen;
Man wagt es, sie der Barbarei zu zeihen.
Sie haben enge Weisheit sich ersonnen:
Was Ohnmacht nicht begreift, sind Träumereien.
Doch, mit unheiligem Gemüth begonnen,
Will nichts, was göttlich ist von Art, gedeihen.
Ach, diese Zeit hat Glauben nicht, noch Liebe,
Wo wäre denn die Hoffnung, die ihr bliebe?
Das echte Neue keimt nur aus dem Alten,
Vergangenheit muss unsre Zukunft gründen.
Mich soll die dumpfe Gegenwart nicht halten; —
Euch, ew’ge Künstler, will ich mich verbünden.
Kann ich neu, was Ihr schuft, und rein entfalten,
So darf auch ich die Morgenröthe künden
Und streu’n von ihren Himmelsheiligthumen
Der Erde Liebkosungen, süsse Blumen.
kisirenden Richtung Goethe und Schiller selbst, sprach sich Tiek
(an Jean Paul erinnernd) gegen den Kultus der Antike als einen ganz
nichtigen, willkürlichen und leeren Aberglauben aus.
Die neue Aufgabe ist von A. W. Schlegel in dem Einlei-
tungsgedicht zu den „Blumensträussen der italienischen, spanischen
und portugiesischen Poesie“ (1804) also ausgesprochen worden:
An die südlichen Dichter.
Nehmt dies mein Blumenopfer, heil’ge Manen!
Wie Göttern biet’ ich Euch die eig’nen Gaben.
Mit Euch zu leben und den deutschen Ahnen,
Ist, was nur einzig das Gemüth kann laben.
Halb Römer, stammt Ihr dennoch von Germanen:
So lasst mit deutscher Red’ denn Euch begaben
Und heim Euch führen an des Wohllauts Banden
Zu nördlichen aus südlich schönen Landen.
Eins war Europa in den grossen Zeiten,
Ein Vaterland, dess Boden hehr entsprossen,
Was Edle kann in Tod und Leben leiten.
Ein Ritterthum schuf Kämpfer zu Genossen,
Für Einen Glauben wollten Alle streiten,
Die Herzen waren Einei’ Lieb’ erschlossen.
Da war auch Eine Poesie erklungen,
In Einem Sinn, nur in verschied’nen Zungen.
Nun ist der Vorzeit hohe Kraft zerronnen;
Man wagt es, sie der Barbarei zu zeihen.
Sie haben enge Weisheit sich ersonnen:
Was Ohnmacht nicht begreift, sind Träumereien.
Doch, mit unheiligem Gemüth begonnen,
Will nichts, was göttlich ist von Art, gedeihen.
Ach, diese Zeit hat Glauben nicht, noch Liebe,
Wo wäre denn die Hoffnung, die ihr bliebe?
Das echte Neue keimt nur aus dem Alten,
Vergangenheit muss unsre Zukunft gründen.
Mich soll die dumpfe Gegenwart nicht halten; —
Euch, ew’ge Künstler, will ich mich verbünden.
Kann ich neu, was Ihr schuft, und rein entfalten,
So darf auch ich die Morgenröthe künden
Und streu’n von ihren Himmelsheiligthumen
Der Erde Liebkosungen, süsse Blumen.