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Ecker, Alexander
Die Hirnwindungen des Menschen: nach eigenen Untersuchungen, insbesondere über die Entwicklung derselben beim Fötus und mit Rücksicht auf das Bedürfniss der Ärzte — Braunschweig, 1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.5071#0010
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2

Einleitung.

Hatte auch Gall anfangs die richtige Bahn, die eines sorgfältigen Stu-
diums des Gehirns, verfolgt, so verliess er sie doch sehr bald und glaubte,
von der im Allgemeinen ganz richtigen Thatsache ausgehend, dass die
Schädelform sich nach der Gehirnform richte, die mühsamen und sel-
tenen Untersuchungen am todten Gehirn durch solche am lebenden
Schädel ersetzen zu können. Bestimmte Buckel oder Beulen des Schä-
dels mit bestimmten geistigen Anlagen in Verbindung bringend, wozu
er übrigens schon in seiner Jugend Materialien gesammelt hatte, schuf
er nun mit seinem Schüler Spurzheim ein System der Phrenologie,
in dem vom Gehirn nur wenig mehr die Rede und das in dieser
Form eines wissenschaftlichen Ausbaues durchaus unfähig war. Die
sogenannte Wissenschaft der Phrenologie ist daher auch selbstverständ-
lich seit ihrer Entstehung auf demselben Standpunkt stehen geblieben
und ist aus den Händen der ernsten Naturforscher, insbesondere der
Anatomen und Physiologen, die sich mit berechtigter Geringschätzung
davon abwenden, in ganz andere Hände übergegangen. Man kennt die
fahrenden Schüler der Phrenologie, die mit einigen Gipsköpfen von
Schiller, Napoleon und etlichen berühmten Spitzbuben herumreisen und
aus einer Anzahl von Buckeln am Schädel einen Charakter zusammen
addiren. Die Wenigsten derselben haben jemals ein Hirn gesehen.

Es war aber nicht allein der Rückschlag dieses misslungenen ersten
Versuchs, was von einem erfolgreichen Weitergehen auf der bezeichneten
Bahn abhielt, es fehlten in der That die nothwendigen Vorbedingungen
hierzu. Trotz der sichern Erkenntniss, dass die Hirnrinde das Organ der
Psyche sei, und trotz der hierin liegenden dringenden Aufforderung zum
anatomischen Studium der Hirnwindungen war dieses bis in die neuste Zeit
herein sehr vernachlässigt, oder vielmehr es fehlte der leitende Faden, um
sich in diesem Labyrinth zurecht zu finden. Man betrachtete die Windun-
gen als ein ordnungsloses Convolut und die Zeichner stellten sie dar, wie
man etwa eine Schüssel voll Macaroni darstellen würde. Erst nach
und nach erkannte man, dass gewisse Furchen und Windungen con-
stanter sind als andere, allein es war, so lange man seine Betrachtung
auf das ausgebildete menschliche Gehirn beschränkte, ein wesentlicher
Fortschritt nicht möglich. Die vergleichende Anatomie und die Ent-
wicklungsgeschichte, diese Leuchten der menschlichen Anatomie, haben
auch in dieses Dunkel zuerst Licht gebracht. Es waren die Ar-
beiten von Huschke und insbesondere von Gratiolet über das Affen-
gehirn, welche die Uebereinstimmung im Baustyl der Hirnwindungen
der Affen mit denen des Menschen nachwiesen, und dadurch zum ersten
 
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