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Eckstein, Hans
Griechische streng-rotfigurige Vasenmalerei — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 64: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.61240#0007
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So mannigfach auch die einzelnen Verkörperungen des
Ewigen und seine Erscheinungen im zeitlichen Wan-
del sind: das ewige Bild des Menschen steht in der helle-
nischen Kunst in plastisch begrenzter Gestalt als die
leibhafte schaubare göttliche Schönheit und in die Zu-
kunft weisend als Maß und Richte bleibend vor uns,
der Vielfältigkeit seiner einzelnen zeitlichen Formwer-
dungen enthoben. Zuerst vom Dichter gekündet, in
dem Menschtum seiner Dichtung verleibt und in dessen
erhabenerem Abbilde, dem Gott geschaut; in seinen
weiteren Ausstrahlungen über den ganzen Umfang des
Lebens dann auch zur sinnlichen Erscheinung im Stoffe
selbst, zum plastischen Gebild verdichtet — ist dieses
göttlicher Mitte entstiegene Richtbild zugleich Gestalt
und lebenformende Macht, zugleich Schöpfer und Ge-
schöpf, Bildner und Gebild der griechischen Lebens-
einheit, es eint Hellas und verbürgt seine Einheit. So
alle Triebe und Kräfte, Gefühle, Ahnungen und schauen-
den Gesichte, Rausch und Flelle, Tun und Gedanken,
Körper und Geist, Leib und Seele zur einenden Fuge von
Physis und Nomos zusammenschließend, bindet die grie-
chische Form alles Leben inMaß und Gesetz ihres Kosmo-
organismus: alle Regung des Lebendigen dient dem all-
umfassenden, alleinenden göttlichen Maße. Liier war für
eine in eigenlebiger Sonderung vom Lebensganzen sich
gefallende Kunst kein Raum, sondern sie mußte wie
jede Äußerung antiken Wesens Symbol des Lebens-
ganzen sein: bildgewordener Ausdruck des Lebensge-
fühls. In einem nach der Antike nie mehr erreichten
Maße ist die Kunst in Flellas als Schöpfung Kult: das
Bildwerk steht nicht nur als gesteigerter Ausdruck der
Frommheit im Dienste der Religion wie im Mittelalter,
bedeutet auch nicht nur, sondern ist der Leib des Gottes
selbst als gegenwärtiges Sein. Die sophistische Auflösung
der griechischen Form und Zerteilung der Menscheinheit
in persönlicher Willkür preisgegebene Instinkte und

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